Trennung von Kirche und Staat in Luxemburg

Luxemburg. (hpd) im Laufe dieses Jahres hat sich auf Initiative des Internet-Portals

"Sokrates.lu" ein „Bündnis für die Trennung von Kirche und Staat" formiert, in dem mittlerweile acht luxemburgische Organisationen mitwirken. Neben Sokrates.lu sind das die beiden laizistischen Organisationen "Liberté de Conscience" und "Libre Pensée", die Studentenorganisation "UNEL", die drei Jugendparteien "Jusos", "Jungliberale" und "junge Grüne" sowie die luxemburgische Linke.

 

Eine kurze Entstehungsgeschichte des Bündnisses

Die Initiatoren hatten im Februar dieses Jahres eine Online-Petition für eine Trennung gestartet, die jedoch nur mäßigen Erfolg hatte, weil sie zunächst nur online verfügbar war. Durch diese Petition wurde jedoch der Kontakt zu den anderen Organisationen hergestellt und die haben gemeinsam beschlossen, eine Initiative zu starten. Nach einem halben Jahr ist es dann soweit gewesen, dass an die Öffentlichkeit und die Presse gegangen werden konnte. Die Pressekonferenz ist ein ziemlicher Erfolg gewesen, weil das Thema schon in den Wochen vorher immer wieder vereinzelt angestoßen worden war.

Der Schlüssel zum Erfolg ist auf jeden Fall die Breite des Bündnisses, vor allem weil drei wichtige Jugendparteien mitmachen. Seit der Bekanntgabe gibt es eigentlich auch sehr wenig Widerstand, vor allem wahrscheinlich deshalb, weil es die Kirche nicht gewohnt ist, dass ihre Machtstellung infrage gestellt wird. Es gibt nur gelegentlich Versuche – von Religionslehrern im Forum oder per Mail –, die Kritik herunter zu spielen.

Das einzige was bisher aufgefallen ist, ist eine Zunahme der Aktivitäten seitens der katholischen Kirche. So ist z. B das katholische Internet-Portal zu neuem Leben erweckt worden. Die Kirche hat zudem feierlich mitgeteilt, dass sie einen Beauftragten für Umweltfragen eingestellt hat, usw. Man merkt schon, dass ihr unwohl ist... Wirkliche Widerstände oder Drohungen gibt es bisher aber nicht.

Drei Themen

Es sind aktuell drei Themen, die diese verschiedenen Organisationen vereint: Die Finanzierung der Glaubensgemeinschaften, der Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen und der politische Einfluss der katholischen Kirche.

1. Die Finanzierung der Glaubensgemeinschaften

Die Finanzierung der Glaubensgemeinschaften ist in Luxemburg sehr undurchsichtig und ungerecht geregelt.

Nutznießer dieser, zum Teil 200 Jahre alten Gesetzeslage, ist vor allem die katholische Kirche. Dies ist darauf zurück zu führen, dass in Luxemburg jeder als Katholik gilt, der als unmündiges Kind getauft wurde. Ein Austritt aus der Kirche kann in Luxemburg allenfalls symbolisch gewertet werden, da jeder Steuerzahler die Kirchen mitfinanzieren muss, unabhängig davon, ob er gläubig ist oder nicht.

Die Finanzierung der Geistlichen erfolgt über die so genannten Konventionen. Jährlich gibt der Staat auf diese Weise ungefähr 21.000.000 Euro für das Personal der katholischen Kirche aus. Dazu kommen 3 bis 4 Millionen Euro für Priesterrenten und nochmals 12 Millionen jährlich für den Unterhalt der Kirchengebäude und für die Wohnungen der Priester. Mit Hinblick auf den gesamten Staatshaushalt (8 Milliarden) und die geringe Zahl der regelmäßigen Kirchengänger (knapp 5 %) sind diese 36 Millionen Euro, die direkt an die Kirche gezahlt werden, sehr viel.

Als weitere finanzielle Privilegien können katholische Privatschulen und Krankenhäuser genannt werden, die zwar zum Großteil vom Staat finanziert werden, jedoch unter der Leitung des Bistums stehen.

2. Der Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen

Die Wertevermittlung in den Schulen erfolgt in Luxemburg entweder über den katholischen Religionsunterricht - wobei das Lehrpersonal vom Klerus ausgebildet wird -, oder über einen alternativen "morale-laique"-Kurs, der als Sammelbecken für alle Nicht-Katholiken gilt. Einmal davon abgesehen, dass konfessioneller Religionsunterricht in öffentlichen Schulen fehl am Platz ist, führt dies zu einer Art 2-Klassen Werteunterricht, wobei außer der privilegierten katholischen Kirche alle anderen Religionen und Weltanschauungen diskriminiert werden.

3. Der Einfluss der katholischen Kirche

Die katholische Kirche hat in Luxemburg einen sehr großen Einfluss. Ihr untersteht das "Saint-Paul" Medienimperium, das vor allem mit der Tageszeitung "Luxemburger Wort" 50 % der Bevölkerung erreicht. Auf diese Weise wird jede Kritik an den Verhältnissen zwischen Staat und Kirche entweder totgeschwiegen oder bloß am Rande erwähnt und der Missstand schön geredet.

Zudem hat die Kirche einen sehr großen Einfluss auf die CSV(Christlich Soziale Volkspartei), die seit dem zweiten Weltkrieg und mit der Ausnahme von einer einzigen Legislaturperiode immer die stärkste Partei gewesen ist und somit den Premierminister gestellt hat.

Forderungen des Bündnisses

Mit Hinblick auf diese Verhältnisse ist gemeinsames Anliegen und Forderung aller beteiligten Organisationen:

► die Kündigung der aktuellen Konventionen zwischen Staat und Glaubensgemeinschaften sowie eine Verfassungsänderung im Sinne einer Trennung von Kirche und Staat

► für den Werteunterricht in den Schulen eine zeitgemäßere Lösung anstelle der aktuellen Aufteilung in katholischen Religionsunterricht und „morale laïque"

► eine konsequente Haltung gegen religiösen Einfluss in gesellschaftspolitischen Themen

Die Forderungen können im Detail auf der Homepage des Bündnis nachgelesen werden:

Alle drei Forderungen sind hochaktuell: Im Parlament findet zurzeit eine Debatte über die Einführung eines allgemeinen Werteunterrichts statt. Zudem soll im Laufe der nächsten Wochen über eine weitere Konvention mit der islamischen Glaubensgemeinschaft abgestimmt werden. Wird diese angenommen, wird das ungerechte Prinzip der Konventionen bestätigt, und die Trennung von Kirche und Staat rückt in weite Ferne.

Auch über eine Depenalisierung der aktiven Sterbehilfe, welche seit Jahren von der CSV und der katholischen Kirche blockiert wird, soll demnächst im Parlament abgestimmt werden.

Das Bündnis in den Medien

Wie sehr das Bündnis einen Nerv in der luxemburgischen Bevölkerung und bei den Medien trifft zeigen die ersten Berichterstattungen:

- in den TV-Hauptnachrichten (in luxemburgischer Sprache)
(Nach einem für deutsche Zuschauer vielleicht interessanten Werbeblock, in der Abspielzeit von 3:30 - 6:30)

- im Anschluss an die Nachrichten, ein Streitgespräch (in luxemburgischer Sprache)

- Beiträge aus der Tagespresse in deutscher Sprache sowie (etwas umfangreicher) in französischer Sprache.

 

Grete Meißel