Reise in den Evangelikalen Märchenwald

 Realität und Religion

Wir setzen unser Gespräch mit dem Eindruck fort, den er als religiöser Mensch von Naturalisten hat: „Wenn ein Mensch nach den Geboten Gottes lebt, dann bekennt sich dieser Gott zu ihm und tut ihm Gutes.“ Bei dieser indirekten Antwort belässt er es und es folgt ein langer Ausflug in das, was manche Menschen Theologie-Sprech nennen: lange, zum Teil sehr verwirrende Sätze mit vielen Worten, die „theologisch nicht Gebildete nicht verstehen können“.

Gegen Ende des Gespräches versuche ich noch zu klären ob Hempelmann Theologie für eine Wissenschaft hält. „Es kommt ganz darauf an, was man unter Wissenschaft versteht.“ Wir einigen uns darauf, dass es bei Wissenschaft um die Überprüfung überprüfbarer Aussagen geht, auch darauf, dass Gott zentraler Bestandteil der Theologie ist. Dass die Existenz Gottes aber nicht überprüfbar ist, sieht Hempelmann anders: „Ich rede von dem Gott, der sich in Jesus vorstellt.“ Ah, ja. Und da Jesus laut Hempelmann nachweislich existiert, Wunder vollbringen konnte und „die Todesgrenze überwunden hat“, ist die Sache für ihn bewiesen. So und ähnlich findet das Gespräch irgendwie kein rechtes Ende, bis Herr Hempelmann mir aber doch noch deutlich sagt, dass seine Positionen durchaus nicht freikirchlich-evangelikal, sondern ganz offiziell von der Evangelischen Kirche Deutschlands vertreten wird.

Als das Diktiergerät aus ist, lasse ich mich noch auf eine weitere Stunde Gespräch mit Herrn Hempelmann ein, in der er schließlich sagt, was in seinen Augen das erklärte Ziel der GBS ist: die Herrschaft über die Bundesrepublik Deutschland zu erlangen.

Auf meinen Weg nach draußen schenkt er mir noch sein Buch „Die Auferstehung Jesu Christi – eine historische Tatsache? Argumente für den Osterglauben“. Das Fragezeichen im Titel wundert mich etwas. Wir gehen leise durch den Raum, in dem eine Zeremonie vorbereitet wird. Ich beobachte einen Teilnehmer, der fleißig auf seinem Laptop schreibt. Ich wünsche mir, dass er Hempelmanns Argumentation in eine Excel-Tabelle eingibt, um am Ende die Fehlermeldung zu erhalten: „Die Zelle bezieht sich auf sich selbst“.

Ungefähr dreißig Augenpaare beobachten skeptisch, wie ich mich auf den Weg mache, diese Parallelwelt wieder zu verlassen, in der Wunschdenken, vermeintliche Realität, angebliche historische Fakten und sprachliche Verwirrungstaktiken ein geschlossenes Denkgebäude bilden: den christlichen Glauben.

 

Alle Fotos © Philipp Möller