Freigeistige Betrachtungen

Eine Sendung des Bundes für Geistesfreiheit (bfg) Bayern im Bayerischen Rundfunk, Programm Bayern ll, UKW, am Sonntag, den 18. Februar 2007

um 7:05 Uhr.

Sprecherin:
Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,
wir begrüßen Sie zur dieser Sendung des Bundes für Geistesfreiheit Bayern, kurz bfg.

Sprecher:

Fromme Menschen sind nicht besser

Fromme Menschen sind in ihren Einstellungen und in ihrem Handeln moralisch besser als Nichtgläubige. Sie sind mildtätiger und sozialer, und sie lügen und betrügen seltener als Atheisten. Das ist eine allgemein verbreitete Ansicht, zumindest unter den gläubigen Menschen. Denn alle Religionsgemeinschaften geben ihren Mitgliedern Anweisungen für eine moralische Lebensführung und ahnden deren Nichteinhaltung mit Sanktionen im Diesseits und über den Tod hinaus. Die 10 Gebote der Bibel gelten weithin als Maßstab für moralisch korrektes Verhalten und der biblische Jesus wird als Vorbild für Barmherzigkeit und selbstlose Liebe verehrt.

Aber stimmt diese allgemein verbreitete Ansicht mit der Realität überein, oder ist es nur ein Vorurteil? In der aktuellen Februar-Ausgabe der Zeitschrift „bild der wissenschaft" geht der Diplompsychologe Rolf Degen in einem Beitrag dieser Frage nach und skizziert mehrere wissenschaftliche Untersuchungen, die in den letzten Jahrzehnten hierzu durchgeführt wurden. Das Fazit dieser Studien, kurz zusammengefasst: Religiöse Menschen sind nicht moralisch besser als andere. Sie lügen und betrügen nicht seltener als Atheisten.
Sie sind auch keineswegs barmherziger oder sozialer in ihrem Verhalten.

In einer umfangreichen Studie der George Mason University in Virginia erhielten mehrere Tausend Personen schwierige Konfliktsituationen vorgelegt, zu deren Beurteilung sie differenzierte moralische Erwägungen berücksichtigen mussten. Das Resultat der Studie: Zwischen dem Grad der Religiosität und den gewählten Problemlösungen bestand kein messbarer Zusammenhang.

In mehreren Studien, die bereits vor Jahrzehnten an der Yale University mit 11.000 Kindern im Alter zwischen 8 und 16 Jahren durchgeführt wurden, ging es um die Bereitschaft, heimlich zu schummeln und zu betrügen. Die Kinder konnten scheinbar unbemerkt die Antworten anderer abschreiben und bei Spielen oder häuslichen Pflichten mogeln. In der überwältigenden Mehrheit der Tests trieben die religiösen Kinder genauso oft ein falsches Spiel wie ihre ungläubigen Kameraden. Auch bei Erwachsenen bestätigte sich dieser Befund. Obwohl religiöse Menschen dazu neigen, sich für ehrlicher als andere zu halten, zeigen Untersuchungen, dass dies nicht mit ihrem Verhalten übereinstimmt.

Ähnlich ist es mit der Tugend der Barmherzigkeit, die in allen Religionen hoch gehalten wird. Gläubige Menschen schreiben sich zwar eine größere Bereitschaft zu, anderen in Notlagen zu helfen. Aber wenn bei Untersuchungen getestet wurde, ob die Probanden bereit waren, gefundene Gegenstände an die Besitzer weiterzuleiten, einer verarmten Familie Beistand zu leisten oder bei einer vorgetäuschten Autopanne uneigennützig zu helfen, fanden sich unter den frommen Probanden nicht mehr hilfsbereite Samariter als unter den Nichtreligiösen.

Das gilt sogar für die 40 Schüler eines Priesterseminars, die der US-Psychologe Daniel Batson von der Princeton University in den Siebziger Jahren testete. Sie erhielten den Auftrag, in einem Nebenraum einen Vortrag über die Tugend des barmherzigen Samariters zu halten. Auf dem Weg zum Vortragsraum begegneten sie einem zusammengekauerten Mann, dessen Keuchen und Stöhnen auf einen medizinischen Notfall hindeutete. Nur 16 der 40 angehenden Priester boten eine Form der Unterstützung an, obwohl sie doch gerade über das Prinzip der Barmherzigkeit sinnieren mussten. Der Grad ihrer Frömmigkeit war dabei völlig unerheblich.

Auch bei einer amerikanischen Studie über die Motive von Bürgern, die während der Nazizeit Juden gerettet hatten, gab es ein ähnliches Ergebnis. Die Retter unterschieden sich von den Inaktiven weder durch ihre religiöse Identifizierung, ihre religiöse Herkunft noch durch die Intensität ihres Glaubens.

Während sich also die Annahme, dass fromme Menschen moralisch besser als andere seien, als nicht zutreffend erweist, gibt es allerdings einen anderen Zusammenhang, den die Gläubigen vielleicht nicht so gerne hören mögen: die Affinität von religiösen Menschen zu extremistischer Gewalt. So stellte der US-Terrorismus-Experte Bruce Hoffmann fest, dass bei den internationalen terroristischen Akten in den Neunziger Jahren 60 Prozent aller Toten das Opfer religiös motivierter Täter waren. Die schlimmsten Terroranschläge, bei denen jeweils mehr als acht Menschen starben, wurden sogar alle von religiös motivierten Tätern verübt. Vor diesem Hintergrund kann die verallgemeinernde Behauptung, fromme Menschen seien die moralisch besseren, nicht nur als falsch, sondern geradezu als zynisch bezeichnet werden.

Sprecherin:

Zur Trennung von Kirche und Staat in Bayern

Kardinal Wetter vom Bistum München und Freising hat kürzlich seinen Rücktritt aus Altersgründen bekannt gegeben. Schon im Jahr 2004, als er 75 wurde, hat er in Rom um seine Pensionierung gebeten. Im Vatikan hat man sich mit der Antwort vier Jahre Zeit gelassen. Jetzt hat der Papst sein Rücktrittsgesuch angenommen. Wetter wurde als Verwalter eingesetzt und damit zu seinem eigenen Nachfolger gemacht, mit im Wesentlichen gleichen Rechten und Pflichten. Nun wird es erfahrungsgemäß etwa ein Jahr dauern, bis man einen Nachfolger gefunden hat.

Das ist natürlich nur ein innerkirchlicher Vorgang, der insbesondere Nicht-Christen nicht weiter interessieren wird, wären da nicht noch einige kuriose Besonderheiten:
Für die Kandidatensuche setzt nun ein Ritual ein, an dem sowohl der apostolische Nuntius - also der vatikanische Diplomat in Berlin - als auch das Münchener Domkapitel beteiligt sind. Nicht beteiligt sind das Kirchenvolk, also die Gläubigen, und auch nicht der Klerus, d.h. die übrigen Priester. Die Entscheidung über die Nachfolge trifft alleine der Papst, unterstützt durch seine Administration.
Bevor der Papst aber seinen Kandidaten zum Bischof ernennt bzw. die beabsichtigte Ernennung oder Weihe bekannt gibt, muss er den bayerischen Regierungschef fragen, ob der aus politischer Sicht Bedenken gegen diesen Kandidaten hat und deshalb ein Veto einlegt. So ist es festgelegt im bayerischen Konkordat von 1924. Das ist immer noch geltendes Recht; Staatskirchenrecht nennt man das, obwohl es seit der Weimarer Verfassung keine Staatskirche mehr gibt. Natürlich wird diese Kandidatensuche vor der Veröffentlichung hinter den Kulissen abgestimmt. Es ist nicht zu erwarten, dass ein Kandidat vorgeschlagen wird, der der Politik nicht genehm ist.

Diese Regelung ist eine von vielen rechtlichen Verflechtungen zwischen Thron und Altar oder - moderner gesagt - zwischen Staat und Kirche. Die Verflechtung finden wir noch zahlreich in Bayern und Deutschland.
Es ist wichtig, von Zeit zu Zeit an diese enge Verbindung zu erinnern.

Sprecher:

Strafbefehl gegen Aktionskünstler

Wenn Kunst politisch wird, greift die Polizei ein; das musste Wolfram P. Kastner jetzt wieder einmal erfahren.
Der Münchner Aktionskünstler Kastner wollte unmittelbar vor dem Besuch Papst Benedikts XVI. in Bayern auf den Skandal des bis heute gültigen „Reichskonkordates" hinweisen. Dieses Konkordat ist der einzige bis heute noch gültige internationale Vertrag aus der NS-Zeit. Zwei verkleidete Herren, der eine mit Bärtchen, der andere im weißen Gewand, hatten vor, durch die einstige „Hauptstadt der Bewegung" zu spazieren. Polizisten der sog. „Staatsschutzabteilung" unterbanden dieses Vorhaben. Nun hat Kastner zudem einen Strafbefehl über 1.500 Euro wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz erhalten.

Die Losung der Kunstaktion lautete: „Wir fordern die Trennung von Kirche und Staat." Die „unangemeldete Versammlung" bestand aus dem weiß gekleideten Wolfram Kastner, seinem schwarz gekleideten Kollegen Georg Ledig sowie einer Handvoll weiterer Personen. Diese wollten Flugblätter verteilen, die die Aktion erklären. Von Beginn an war diese Versammlung umringt von einer wesentlich größeren Versammlung Beamter, die sich um die Staatssicherheit bemühten. Die „Staatsschützer" führten einen der Flugblattverteiler in Handschellen ab, beschlagnahmten die Flugblätter und hinderten die beiden Künstler daran, auf der vorgesehenen Route durch München zu gehen. Geplant war ein Weg zum Dom, zum erzbischöflichen Ordinariat und zum „Braunen Haus". Stattdessen wurden die Künstler zum Polizeipräsidium geleitet.
Zunächst ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen Kastner wegen „Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes", „Missbrauchs von Zeichen" und einer „unangemeldeten Versammlung". Der jetzige Strafbefehl beschränkt sich nur noch auf letzteren Tatbestand.

Kastner wurde u.a. durch seine Aktionen zu den Jahrestagen der Bücherverbrennung bekannt. Der Künstler fragt in einer Pressemitteilung, ob die Strafverfolgungsbehörden wirklich nichts Wichtigeres zu tun hätten. Er erinnert in diesem Zusammenhang an die umfangreichen Neonazi-Aktivitäten im Freistaat.
Kastners Anwalt hat Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt.

Sprecherin:

Kein Faschingsscherz ist unsere nächste Meldung aus Österreich

Der Bauunternehmer Richard Lugner ist bekennender Katholik und hat vier Kinder. In einem seiner Einkaufszentren eröffnete Anfang Februar ein sexualmedizinisches Zentrum. Dort können auch legale Abtreibungen vorgenommen werden. Natürlich gab es die üblichen Proteste von Abtreibungsgegnern. Doch diesmal ging der Protest noch weiter:
Der Salzburger Weihbischof Andreas Laun erklärte öffentlich die Exkommunikation von Richard Lugner. Er beruft sich dabei auf den Katechismus, in dem es heißt: „Die formelle Mitwirkung an einer Abtreibung ist ein schweres Vergehen. Die Kirche ahndet dieses Vergehen gegen das menschliche Leben mit der Kirchenstrafe der Exkommunikation." In einem Interview sagte Laun, ein Katholik, der Abtreibungen in irgendeiner Form unterstütze, schließe sich selbst aus der Kirche aus. Dies betreffe jeden, der „vorsätzlich einen Menschen getötet oder eine vollendete Abtreibung vorgenommen hat, sowie alle, die positiv daran mitgewirkt haben."
Doch hier irrt der Weihbischof: Laut römisch-katholischem Kirchenrecht werden zwar alle Beteiligten einer Abtreibung exkommuniziert. Für den vorsätzlichen Mord an einem bereits geborenen Menschen sieht das Kirchenrecht eine automatische Exkommunikation jedoch nicht vor.

Sprecher:

Und jetzt noch eine Meldung in eigener Sache

Seit Jahren bemüht sich der bfg Bayern um bessere Sendezeiten im Rundfunk. Oft können wir interessante Meldungen nicht bringen, da die vorhandene Sendezeit nicht ausreicht. Am 25. November 2005 wurde unsere Klage auf bessere Sendezeiten vom Verwaltungsgericht in München abgelehnt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat am 31. Januar 2007 dieses Urteil bestätigt.

Als wichtigster Grund für die Gewährung von Sendezeiten wird die Mitgliederzahl genannt. Die Bindung der Mitglieder an die Organisation spiele dabei keine Rolle.

Die Vergabe der Sendezeiten sei allein vom rechtlichen Organisationsgrad einer Vereinigung abhängig und nicht von deren geistigem Einfluss.

Wir vom bfg Bayern sind dagegen der Meinung, dass nicht nur die Zahl der Mitglieder eine Rolle spielt. Auch die gesellschaftliche Bedeutung unserer Anliegen muss berücksichtigt werden. Die Zahl der kirchenfernen Konfessionslosen steigt auch in Bayern seit Jahren kontinuierlich.
Wir werden uns weiter um bessere Sendezeiten bemühen.

Sprecherin:
Unsere nächste Sendung können Sie am 1. April hören. Die Texte dieser Sendung erhalten Sie gegen Erstattung des Portos bei: bfg Bayern, Postfach, 90730 Fürth. Im Internet sind wir unter folgender <Adresse> zu erreichen.
Dort finden Sie auch die Veranstaltungen der einzelnen Ortsgemeinschaften.

SprecherInnen: Dr. Kerstin Pschibl, Karl Bierl

Texte: Karl Bierl, Rainer Statz, Monika Hendlmeier.