Lese-Tipps von Thomas Hocke

Bücher für den März

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(hpd) Thomas Hocke, der ehemalige Redakteur des ZDF für Literatur und Bildende Kunst, Begründer etlicher Literaturformate in ZDF, 3sat und arte sowie Mitbegründer des Rheingau-Literatur-Festivals stellt im hpd Bücher vor, die nicht unbedingt Bestseller sind; es aber noch werden könnten.

Martin Suter, "Montecristo", Diogenes

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Endlich wieder ein originaler Martin Suter mögen die Fans von dem mit zahlreichen Preisen prämiierten schweizerischen Schriftsteller ausrufen - sie kommen hier voll auf ihre Kosten. Eigentlich geht es um Bankgeschäfte, ausgelöst durch den unwahrscheinlichsten Fall einer Doppelprägung einer schweizerischen Banknote - doch alle, die Jonas Brand befragt, bestätigen, beide seien echt. Der Finder dieser Noten, ein sich durch das Leben schlecht und recht schlängelnder Videojournalist, stößt auf merkwürdige Zusammenhänge, merkwürdige Beziehungsgeschäfte.

Vordergründig geht es zwar um die Beseitigung der aus dem Verkehr gezogenen Banknoten, intern aber geht es um Vertuschungen bei Kreditgeschäften. Und auf einmal ist alles miteinander verbunden: Privates, die Liebe und Geschäftliches, also das, was Brand aufdeckt und per Filmelementen an die Öffentlichkeit bringen will. Und auf einmal ist Geld da für ein Filmprojekt, das Brand schon seit langemvorgeschlagen hat.

Montecristo - schon zweimal wegen Nicht-Realisierungsmöglichkeit aber abgelehnt. Zu teuer lautete immer der Ablehnungsbescheid. Die Liebe, die Genehmigung des Filmprojektes, alles logisch für den Protagonisten. Martin Suter, man weiß es, beherrscht sein Metier, er spielt mit den Merkwürdigkeiten - heiter und gekonnt, wie üblich, stark gewürzt - wie in allen letzten Büchern kommen auch Rezepte nicht zu kurz. Und, darauf legt er Autor Wert, alles seien Fiktionen, die er beschrieben habe, keine Adaptierungen von ähnlich gelagerten Vorfällen.

Ian McEwan, "Kindeswohl", Diogenes

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Dass der deutsche Titel (im Original "The Children Act") doppeldeutig ist, erfährt man im Laufe des Lesens. Fiona Maye ist als Richterin im Londoner High Court zuständig für Fälle, die das Wohl der Kinder angreifen, sei es durch Verweigerung von Bluttransfusionen bei den Zeugen Jehovas oder bei einem anderen Fall, der emotional noch krasser zutage tritt: Muss ein Zwilling sterben, damit der andere überleben kann? Beide Fälle hat sie zu entscheiden. Und sie tut das wie üblich, sehr gewissenhaft, versucht alles Emotionale aus dem jeweiligen Fall herauszuhalten. Und wird dann auch noch von ihrem Mann, mit dem sie seit über 30 Jahren verheiratet ist, emotional angegriffen, weil er auf ein außereheliches Verhältnis zusteuert und sogar ihren Segen dazu erhofft.

Aus früheren Büchern von McEwan ("Abbitte" z.B.) kennt man die Akribie, mit der der Autor alltägliche, aber spannende Krisen, auseinander nimmt, mit Argumenten, die wohl durchdacht logisch nachvollziehbar sind. Das ist das Geheimnis des Autors, Protagonisten seiner Bücher sich Konfliktsituationen zu stellen, sie zu benennen und Lösungsmöglichkeiten zu skizzieren.

Das Geheimnis des Doppeldeutigen im Titel erklärt sich zum Ende des Romans, wenn der "Fall" des Todkranken aus der Jehovas Zeugen-Gemeinde sein "Ende" erfährt. Raffiniert geschachtelt dieser neue Roman Londoner Autors, der sich an einigen juristischen Formulierungen in ähnlich gelagerten Fällen orientiert hat.