Ablehnung der EU von links und rechts als Antimodernismus

BONN. (hpd) Der österreichische Politikwissenschaftler Anton Pelinka geht in seinem Buch "Die unheilige Allianz. Die rechten und die linken Extremisten gegen Europa" auf die gemeinsame Frontstellung der im Untertitel genannten Strömungen gegen die EU ein. Der Autor nimmt dabei keine platte Gleichsetzung vor, sondern weist unter Hinweis auf die ideologischen Unterschiede auf die strukturellen Gemeinsamkeiten dieser Kritik als Ausdruck des Antimodernismus hin.

Betrachtet man die Agitation von Parteien am linken oder rechten Rand des politischen Spektrums in verschiedenen Ländern, so lassen sich bei den Positionen zur Europäischen Union eine Fülle von Gemeinsamkeiten feststellen. Dazu gehören etwa Klagen über Demokratiedefizite, Neoliberalismus, Souveränitätsverlust oder Ungleichheitsentwicklungen. Gleichwohl bestehen Unterscheide in der Grundposition dieser Kritik: Während die eine Seite in der EU ein Instrument zur Durchkapitalisierung der Gesellschaft sieht, sieht die andere Seite in ihr ein Mittel zur Vernichtung der Völker. Doch gibt es nicht auch gewisse Gemeinsamkeiten? Dieser Frage geht mit einer bejahenden Antwort der österreichische Politikwissenschaftler Anton Pelinka in seinem Buch "Die unheilige Allianz. Die rechten und die linken Extremisten gegen Europa" nach. Der Ausgangspunkt seiner Betrachtung ist die Deutung der EU als Ausdruck der Moderne, also einer von Freiheit und Rechten, aber auch von Relativität und Unsicherheit geprägten Gesellschaftsordnung.

Demgemäss sieht Pelinka einen Antimodernsimus in den Auffassungen, die in diesem Kontext von der extremen Linken wie Rechten vorgebracht werden: "Die Europäische Union ist ja Ausdruck des Vorranges der Relativität: Ihre Vorzüge erschließen sich im Vergleich mit dem Europa, das einmal war, und nicht im Vergleich mit einem Europa, das aus den Träumen von einer perfekten Gesellschaft konstruiert wird. Die extreme Rechte tritt dem sich einigenden Europa mit prinzipieller Unversöhnlichkeit gegenüber. Den Ansprüchen der extremen Linken kann es dieses Europa niemals recht machen" (S. 10).

Entgegen eines ersten oberflächlichen Eindrucks nimmt Pelinka keine Gleichsetzung vor, er verwahrt sich sogar ausdrücklich gegenüber einer solchen Fehldeutung (vgl. S. 37). Indessen meint er, dass es bei allen Differenzen hinsichtlich der ideologischen Ausgangspunkte für die formulierte EU-Verdammung doch formale Gemeinsamkeiten in dieser politischen Frontstellung geben würde. Denn die EU sei ein Produkt der linken, mittigen und rechten Mitte.

Die Gemeinsamkeiten bestehen für den Autor in einer gegensätzlich begründeten, aber identischen Distanz zur liberalen Demokratie. Extremismus sei dabei auch Ausdruck der Realitätsverweigerung, stehe die EU-Kritik doch für die Reduzierung von Komplexität, die Sehnsucht nach Eindeutigkeit und die Unzulässigkeit von Vereinfachungen. Man ignoriere die Bedeutung der EU zur Bewahrung des Friedens und zur Schaffung von Wohlstand ebenso wie deren Rolle als Laboratorium und Projekt für "global government". Die "extremistische Sicht der Europäischen Union liefert nur Zerrbilder und keine Bilder der Wirklichkeit. Aber die hinter diesen Zerrbildern mobilisierenden Kräfte verfügen über eine potentielle Vetomacht – vor allem dann, wenn linke und rechte Extremisten, die einander als definierendes Feindbild, als ‚defining other’ sehen, de facto gemeinsam agieren. Die faktische Allianz der Extremisten bedroht die Existenz der Union" (S. 168). Faktisch meint hier, dass es nicht um ein planmäßiges oder verschwörerisches Agieren in Kooperation geht.

Pelinka gelingt mit seinem Blick auf bestimmte Gemeinsamkeiten der EU-Kritik von links und rechts der Nachweis von bestimmten Strukturmerkmalen, die jeweils mit besonderen Inhalten im Kontext einschlägiger Agitation von beiden politischen Seiten wahrnehmbar sind. Dabei argumentiert der Autor differenzier und nimmt keine Gleichsetzungen vor. So heißt es etwa: "Der Antieuropäismus der extremen Linken … ist von anderer Natur: Er ist das Ergebnis eines mit dem Grundgedanken einer transnationalen Europa prinzipiell vereinbaren Vision" (S. 182). Erstaunlich ist indessen, dass Pelinka kaum auf konkrete Akteure der Gegenwart eingeht, nur kurz werden der Front National und die Schwedendemokraten, die Kommunistische Partei Frankreichs und die deutsche Linkspartei genannt (vgl. S. 124). Dafür findet man dann mehr Ausführungen zu Hitler und Stalin oder zu Heidegger und Sartre. Und dann darf noch angemerkt werden, dass die EU als Ausdruck der Moderne allzu sehr gehuldigt wird, differenzierte Kritik an ihr wäre auch Ausdruck der Modere.
 


Anton Pelinka, Die unheilige Allianz. Die rechten und die linken Extremisten gegen Europa, Wien 2015 (Böhlau-Verlag), 195 S., 35 Euro