Kenntnisreich und reflexionswürdig

Sammelband zum Rechtspopulismus

BONN. (hpd) Der Politikwissenschaftler Ernst Hillbrand legt mit dem Buch "Rechtspopulismus in Europa. Gefahr für die Demokratie?" einen Sammelband zum Thema mit Beiträgen zu einzelnen Parteien wie zu Gegenstrategien vor. Die eher knapp gehaltenen Beiträge liefern gleichwohl die entscheidenden Informationen und betten meist den Rechtspopulismus in den Kontext von gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen ein – womit man es mit einem kenntnisreichen und reflexionswürdiger Werk zu tun hat.

Bei den Europawahlen 2014 konnten rechtspopulistische Parteien in vielen Ländern beachtenswerte Erfolge verbuchen. In Frankreich und Großbritannien wurden der "Front National" und die UKIP gar stärkste Parteien. Worin bestehen nun aber die Besonderheiten derartiger politischer Akteure, und wie erklären sich ihre Erfolge bei Wahlkandidaturen? Diesen beiden Fragen gehen die Autoren des von dem Politikwissenschaftler Ernst Hillebrand herausgegebenen Sammelbandes "Rechtspopulismus in Europa. Gefahr für die Demokratie?" nach.

Bereits in der Einleitung macht er indessen darauf aufmerksam, dass es sich dabei um ganz unterschiedliche Kräfte handelt: "Ein kleinster gemeinsamer Nenner lässt sich am ehesten noch im soziokulturellen Bereich finden: in einer Präferenz für das Gewohnte, das Nationale, das Vertraute und in einer dezidierten Abneigung gegenüber den etablierten Mainstreamparteien und den amtierenden liberalen Eliten" (S. 9). Die folgenden 19 Beiträge von ausgewiesenen Kennern gliedern sich in drei unterschiedliche Schwerpunkte:

Zunächst findet man Fallstudien zu den gemeinten Parteien: dem "Front National" in Frankreich, der "UK Independence Party" in Großbritannien, der "Lega Nord" in Italien, der "Partei für die Freiheit" in den Niederlanden, der "Freiheitliche Partei Österreichs", der Partei "Recht und Gerechtigkeit" in Polen, der "Schweizerische Volkspartei", den "Unternehmerpopulismus" von Andrej Babis in Tschechien und "Fidesz" in Ungarn. Abhandlungen zu hier auch bedeutsamen Ländern wie Deutschland, Norwegen oder Schweden fehlen leider. Dafür findet man aber auch Fallstudien zu osteuropäischen Ländern, welche ansonsten häufiger in Darstellungen zum Thema ausgeblendet werden. Die jeweiligen Beiträge sind sehr kurz, aber auch problemorientiert gehalten. Insofern erhält man eine gute bilanzierende Beschreibung und Deutung. Die Geschichte der UKIP bestehe etwa aus der Geschichte "von Veränderungen in der Wirtschafts- und Sozialstruktur Großbritannien" und der Geschichte von dem sich "über Generationen vollziehenden Wertewandel" (S. 32).

Die Einbettung des Rechtspopulismus in gesellschaftliche Umbruchprozesse findet dann in den folgenden beiden Teilen noch größere Aufmerksamkeit. Bei den Beiträgen zur “Politischen Bewertung” geht es etwa um die Deutung des Populismus als "politischem Hilferuf", die Rolle der Medien oder die Soziologie des "Front National". Und schließlich thematisierst das Kapitel "Die Linke und der Rechtspopulismus" die Frage nach den Gegenstrategien, wobei meist die Perspektive der "linken Mitte", also der Sozialdemokratie eingenommen wird. Hier heißt es etwa: "Populismus ist eine Revolte von Menschen, die sich abgehängt fühlen" (S. 150) oder: "Der Populismus hat also durchaus Wurzeln in der sozioökonomischen Wirklichkeit" (S. 153). Demgemäss meinen die meisten Autoren, dass eine moralische Abwertung der Rechtspopulisten als Strategie nicht ausreiche. Der Herausgeber schreibt denn auch: "Die Politik trägt in wesentlichem Maße Verantwortung dafür, dass sich … Verunsicherungsgefühle immer weiter ausbreiten" (S. 176).

Gerade die Deutung des Rechtspopulismus als ein "Hilferuf" abgehängter Schichten zieht sich als Interpretation durch viele Texte. Damit will man die Ausrichtung am Rechtspopulismus analytisch nachvollziehbar machen, nicht sie inhaltlich legitimieren. Genau in dieser besonderen Perspektive, die eben auch immer wieder gesamtgesellschaftliche Aspekte einbettet, unterscheidet sich dieser Sammelband positiv von ähnlichen Projekten. Die dabei formulierte Kritik an beliebten Deutungsmustern verdient dabei besondere Beachtung und Reflexion. Dies gilt insbesondere für die Anmerkungen zu den diesbezüglichen Fehlern der etablierten Politik. Mitunter erscheint durch die Fixierung auf diesen Punkt indessen der Rechtspopulismus mehr als ein Phänomen von kulturell und sozial “abgehängten” Schichten, was so zu kurz gegriffen wäre. Bedauerlich ist, dass das Verhältnis von Demokratie und Rechtspopulismus – immerhin Bestandteil des Untertitels – nicht näher erörtert wird. Insgesamt handelt es sich aber um einen gelungen Band - mit kurzen und treffenden Texten.


Ernst Hillebrand (Hrsg.), Rechtspopulismus in Europa. Gefahr für die Demokratie?, Bonn 2015 (J. H. W. Dietz-Verlag), 189 S., 16,90 Euro