Rezension

Der Verschwörungsglaube als religiöses Problem

BONN. (hpd) Der Politik- und Religionswissenschaftler Michael Blume deutet in seinem Buch "Verschwörungsglauben. Der Reiz dunkler Mythen für Psyche und Medien" Konspirationsvorstellungen als religiöses Problem. Seine Auffassung überzeugt angesichts der Glaubensdimension von Verschwörungsanhängern, wird aber in seinem Buch etwas durcheinander und umständlich erläutert.

Eine Fülle von Verschwörungsvorstellungen kursiert insbesondere über das Internet in der Öffentlichkeit: Dazu gehören ältere Behauptungen wie die über eine "jüdische Weltverschwörung", neuere wie die über die Anschläge vom 11. September 2001 oder gerade aktuelle wie die über die fehlende Existenz von Staatlichkeit einer "BRD GmbH".

In der Forschung fanden derartige Vorstellungen lange Zeit kaum Aufmerksamkeit. Warum sollte man sich mit solchen Irrationalitäten beschäftigen, meinten wohl viele Wissenschaftler. Doch relevant für eine Auseinandersetzung ist nicht das Niveau, sondern die Wirkmächtigkeit. Und davon ist bei Konspirationsvorstellungen sehr wohl auszugehen. Einen Beitrag zur Analyse derartiger Denkvorstellungen will der studierte Politik- und Religionswissenschaftler Michael Blume mit seinem Buch "Verschwörungsglauben. Der Reiz dunkler Mythen für Psyche und Medien" leisten. Ihm geht es darin um einen dezidiert religionswissenschaftlichen Bezug zu dem untersuchten Phänomen.

Mit seiner Grundthese will Blume über die etablierten Diskurse hinausgehen und formuliert folgende Auffassung: "Ich schlage vor, den Verschwörungsglauben als religiöses Problem ernst zu nehmen, zumal Religiosität und Verschwörungsglauben laut empirischen Daten auch direkt miteinander korrelieren. Verschwörungsmythen sind eben wie alle anderen religiöse Mythen auch gerade keine 'Theorien', wie wir sie aus dem wissenschaftlichen Kontext oder auch aus rechtsstaatlichen Verfahren kennen, sondern sinn- und gemeinschaftsbildende Erzählungen, die Anhänger daher glauben 'wollen'" (S. 17).
Hier bestehe eine Gemeinsamkeit mit den Weltreligionen, die ihre Identität über das Vertrauen in gute Mächte und Wesen zu definieren versuchten. Verschwörungsgläubige versuchten demgegenüber ihre Identität im Kampf gegen eine angebliche universelle Superverschwörung zu sichern. "In beiden Fällen erfolgt die Vermittlung der Glaubenshaltungen durch religiöse Mythen" (S. 18). Auch der Glaube an Außerirdische sei nichts anderes als ein neureligiöser Mythos.

Danach führt der Autor die Gründe für diese These anhand von Beispielen aus Geschichte und Gegenwart aus: Zunächst geht es um die Hexenmythen und ihre Folgen, müsse darin doch der Ur-Verschwörungsglaube gesehen werden. Die Breitenwirkung solcher Vorstellungen erkläre sich auch durch die Nutzung damals neuer Medien: den Büchern. Erst danach definiert Blume seine Arbeitsbegriffe auf der Grundlage der bisherigen Literatur. Und dann kommt er noch einmal auf den Kontext von Gelehrsamkeit und Gnosis beim Verschwörungsglauben zurück. Diesen macht der Autor dann noch einmal anhand aktueller Internet-Themen insbesondere zu Außerirdischen und UFOs deutlich. Die Relevanz von Medien vom ersten Buchdruck bis zum aktuellen Thriller steht danach im Zentrum. In der Tat kann wohl die Wirkung von Serien wie früher "Akte X" für die Akzeptanz derartiger Vorstellungen kaum unterschätzt werden. Und schließlich geht es mit der Angstlust noch um den psychologischen Reiz von Verschwörungsmythen.

Blume macht zutreffend auf die Glaubensdimension von Konspirationsauffassungen aufmerksam. Diese erklärt nicht nur die Immunität seiner Anhänger gegenüber Fakten, will man ja an die Verschwörung glauben. Dadurch können auch Fanatismus und Kontinuität in einschlägigen Milieus nachvollzogen werden. Der Autor kennt aber offenbar nicht die Fachliteratur zum Thema, fehlen doch in der Bibliographie viele relevante Titel. Denn von dem mythischen Charakter des Verschwörungsdenkens haben schon Jahrzehnte vor ihm viele Wissenschaftler gesprochen. Auch wirkt seine Argumentation insgesamt etwas unsortiert. Neu und wichtig sind demgegenüber die Hinweise auf jüngere Filme wie "Matrix", die als Kino-Knüller eben auch für Alltagspräsenz derartiger Vorstellungen sorgten. Als Kritik bietet sich in der Tat die Plausibilitätsprüfung an, denn: "… Abertausende von Beteiligten und Jahrzehnte überspannende Superverschwörungen erweisen sich als extrem unwahrscheinlich, dass es für ihre Behauptung sehr starke Belege bedürfe" (S. 123).

Michael Blume, Verschwörungsglauben. Der Reiz dunkler Mythen für Psyche und Medien, Filderstadt 2016 (Sciebooks-Verlag), ASIN: B01C95BR6Y (eBook), 2,99 Euro, ISBN: 978-3945829042 (Taschenbuch), 134 S. , 9,85 Euro