Konstantin der Grobe

Anmerkungen zur Idealisierung eines Despoten.          

TRIER. Eine heiße Sommernacht - trotz

Schwimmbadtemperaturen finden sich am 14. Juli 2007 ca. 60 Interessierte in der Trierer Tuchfabrik ein, um dem Vortrag von Horst Herrmann zu lauschen und anschließend angeregt zu diskutieren.

Prof. Dr. Horst Herrmann, wie ihn Michael Schmidt-Salomon in seinen einleitenden Worten vorstellt, war seinerzeit der jüngste deutsche Universitätsprofessor für Theologie, bekam allerdings fünf Jahre später seine kirchliche Lehrerlaubnis entzogen, wurde gar wegen Häresie verurteilt. Wer seinem Vortrag lauscht, ist darüber nicht verwundert. 1981 wechselte der 1940 geborene Herrmann an den Fachbereich Sozialwissenschaften der Universität Münster. Er kann zahlreiche Veröffentlichungen zu den Themen Kirchenkritik, Folter, Patriarchat sowie Männer, Frauen und Liebe vorweisen, und hat darüber hinaus unter Pseudonym einige Romane verfasst.

Mit trockenem Humor bringt Horst Herrmann das im Allgemeinen idealisierte Bild Konstantins mit den blutigen historischen Tatsachen in Einklang.

In Trier gibt es derzeit zwei Ausstellungen zu Konstantin: 1. die offizielle Ausstellung, Konstantin dem Großen gewidmet, ein Publikumsmagnet, welcher ca. 6 Millionen Euro verschlang und den Bundespräsidenten als Schirmherren gewinnen konnte. 2. die alternative Ausstellung, Konstantin dem Groben gewidmet, in der unter Anderem Bilder von Janosch, F.K. Waechter und Jacques Tilly sowie weitere hervorragende Kunstwerke präsentiert werden.

Herrmann beanstandet, dass in der offiziellen Ausstellung - die er als „alternative Ausstellung zu unserer" bezeichnet, zwei wichtige Fakten unerwähnt bleiben: Erstens trug Konstantin „vorsichtig formuliert" Mitschuld am unnatürlichen Tod seines Schwiegervaters; zweitens tötete er - in Trier - seine Frau Fausta, Mutter von fünf Kindern, die er im Alter von ca. zehn Jahren (sie war zehn, er in den Zwanzigern) geheiratet hatte. Daneben ließ Konstantin weitere Verwandte (unter Anderem seinen eigenen Sohn Crispus) und diverse Freunde mittels Erdrosseln, Gift, Erschlagen etc. töten, die Gründe für diese Morde sind nicht alle überliefert.

Blutrünstiger Usurpator mit ausgeprägtem Machtwillen

Insgesamt zeichnet Herrmann ein durchaus unerquickliches Bild Konstantins des Groben, in welchem dieser als blutrünstiger Usurpator mit ausgeprägtem Machtwillen, einer Gier nach Ruhm, nach Glanz, nach Edelsteinen erscheint, der mit Begeisterung „pausenlos und brutal" Kriege führte und regelmäßig die gewonnenen Kriegsgefangenen zur Volksbelustigung im Trierer Amphitheater von wilden Tieren zerfleischen ließ.

Weshalb, so Herrmann, verbündete sich Konstantin mit Christen? Seine Antwort: „Vielleicht die erstaunliche Erfahrung, dass Konstantin und die Wortführer des neuen Glaubens von ähnlichem Zuschnitt waren". Denn die ersten Christen waren laut Herrmann „kleine Aufsteigertypen, ungebildet", aus der Unterschicht, machtbewusst mit Kraftmeierrhetorik und einem symbiotischen Verhältnis von Bigotterie und Mordlust, die möglicherweise dachten: „Mit diesem Kaiser haben wir eine Chance". So gingen Konstantin und die Christen eine Symbiose ein.

Die Geschichtsverfälschung, namentlich die Idealisierung Konstantins, geht neben Konstantins eigener "Biografiekorrektur" auf zwei dominante Wort- und Schriftführer zurück, die fleißig bemüht waren, Konstantins unangenehme Seiten zu ignorieren und positive Seiten hervorzuheben bzw. zu erfinden: der „schlichte Bischof", Eusebius, und der „christliche Pamphletist", Laktanz. So weicht einerseits der jesuanische Pazifismus der blutigen Gewalt, während zur gleichen Zeit der Verursacher dieser Geschehnisse euphemisiert wird und aus Gründen der Opportunität messianische Züge erhält. Eusebius orientiert sich ausschließlich am Nutzen für die Kirche. Ansonsten, würde Jesus tatsächlich zur Grundlage genommen, fiele der real existierende Konstantin durch das Raster.

Leider beziehen sich heutige Theologen und christliche Historiker ihrerseits aus Gründen der Opportunität oder aus Angst hauptsächlich auf diese zwei Quellen, Eusebius und Laktanz, und ignorieren allzu gerne andere Quellen, die allerdings weniger leicht zu finden sind, und aus denen andere, gegensätzliche Informationen hervorgehen.

Konstantin hatte sich in den Christen geirrt

Die Partnerschaft zwischen Konstantin und den Christen führte über begünstigende Maßnahmen des Kaisers langfristig zum Reichtum der Kirche. Und hier hatte sich Konstantin in den Christen geirrt: Er erließ den Kirchen Steuern in der Hoffnung, diese ließen das gewonnene Vermögen den Armen zukommen. Weit gefehlt! „Auch das gilt bis heute", so kommentiert Herrmann trocken diesen Sachverhalt.

Momentan stehen wir, so Herrmann, „erst am Anfang der antikonstantinischen Wende", die Kirche allerdings „fuhr bisher, wie sie war und ist, nach eigener Einschätzung gut. Sie wird sich nicht ändern." Herrmann endet seine Ausführungen mit den Worten: „Drehen wir das Rad zurück? Nein, wir kehren um zu den Anfängen, weil wir das Christentum als das zu sehen lernten, was es ist: Keine überzeitliche Wesensaussage des Menschseins, sondern ein unaufhaltsam verblassendes Phänomen der Geschichte".

Fiona Lorenz