Extremistische Rechte in Osteuropa

(hpd) Die beiden österreichischen Journalisten Gregor Mayer und Bernhard Odehnal beschreiben in ihrem Buch „Aufmarsch. Die rechte Gefahr aus Osteuropa“ die aktuelle Entwicklung des Rechtsextremismus in der Bulgarien, Kroatien, Serbien, Slowakei, Tschechen und Ungarn. Es handelt sich um eine überaus informative journalistische Darstellung, die sich auf Recherchen vor Ort stützt und auch die jeweiligen historisch-politischen Hintergründe benennt.

Rechtsextremistische Entwicklungen in europäischen Ländern finden auch in den Medien eine gewisse Aufmerksamkeit. Dies gilt allerdings mehr für die west- und weniger für die osteuropäischen Länder. Noch schlechter steht es um kompakte Informationen in Buchform. Umso erfreulicher ist daher das Erscheinen einer journalistischen Arbeit zum Thema. Die beiden österreichischen Journalisten Gregor Mayer und Bernhard Odehnal informieren in „Aufmarsch. Die rechte Gefahr aus Osteuropa“ über die extremistische Rechte in einigen der dortigen Länder. Dies geschieht auf Basis von Recherchen vor Ort: Mayer/Odehnal beobachteten die martialischen Aufmärsche, führten Interviews mit Funktionsträgern und Mitläufern, werteten Flugblätter, Internet-Einstellungen, Redetexte und Videoclips aus. Damit wollen sie Feindbilder, Ideologien, Strukturen und Wirkung einer politischen Bewegung beschreiben, welche mit nationalistischen und rassistischen, antisemitischen und romafeindlichen Positionen in die Mitte der Gesellschaft hinein wirken will.

Das Buch gliedert sich in sechs große Kapitel in Form von Länderstudien: Darin geht es um die unterschiedlichsten Erscheinungsformen des Rechtsextremismus in Ungarn, Tschechien, der Slowakei, Kroatien, Serbien und Bulgarien. Hierzu gehört der parteipolitische Bereich etwa mit „Ataka“ in Bulgarien oder „Jobbik“ in Ungarn. Es geht aber auch um den kulturellen Transport einschlägigen Gedankenguts, wofür die Ausführungen über den Sänger Thompson („das singende Maschinengewehr“) in Kroatien stehen. Außerdem gehören der Antisemitismus der Kirche anhand des Falls Velimirovic in Serbien und die Morde an Angehörigen der Roma in Ungarn zu den Themen des Buchs. Die Autoren beschränken sich aber nicht nur auf die Darstellung der aktuellen Erscheinungsformen des Rechtsextremismus. Da deren Agitation häufig Bezug auf bestimmte Ereignisse der Landesgeschichte nimmt, kann sie auch nur im Lichte von einschlägigen Kenntnissen verstanden werden. Auch hierzu liefern die einzelnen Kapitel die relevanten Informationen.

Bilanzierend bemerken Mayer/Odehnal: „Die neuen Rechtsextremen in den neuen Mitgliederstaaten und Mitgliedsanwärtern der EU haben einiges gemeinsam: Sie treten selbstbewusst auf und sie treten besonders oft in der Öffentlichkeit auf. ... Ihrer Führer sind um die 30 Jahre alt, die Mitläufer sind häufig noch Teenager. ... Die Szene passt sich Modetrends an. ... Die Linke wird von der extremen Rechten imitiert. Besonders Tschechen und Slowaken haben diesen aus Deutschland kommenden Trend kopiert ... Da es in osteuropäischen Ländern so gut wie keine Zuwanderung gibt, richtet sich die Aggression gegen die eigenen Minderheiten, vor allem gegen Roma (in allen Ländern), gegen Juden (besonders in Ungarn, Serbien und der Slowakei), gegen Homosexuelle (praktisch überall). ... Anders als die Skinheads der 1990er-Jahre kommen die neuen Rechtsextremen im Osten nicht zwangsläufig aus der Unterschicht. Ihrer Führer sind Studenten oder Facharbeiter, die Mitglieder der paramilitärischen Gruppen kommen oft aus der Mittelschicht“ (S. 12f.).

Wie diese Ausführungen schon deutlich machen, liegt ein überaus informatives Buch zum Thema vor. Es handelt sich dabei um ein journalistisches, nicht um ein wissenschaftliches Werk. Die reportageartige Präsentation erleichtert die Lektüre, gleichwohl fehlen Belege für die jeweiligen Ausführungen. Hier und da findet man auch kleinere Fehler bei Angaben. Dies alles schmälert aber nicht den hohen Informationswert des Bandes, mangelt es doch im deutschsprachigen Raum an einschlägigen Darstellungen zum Thema. Darüber hinaus bemühen sich die Autoren auch immer wieder, die Schilderung der aktuellen Entwicklungen in einen historisch-politischen Kontext zu stellen. Hierin liegen die unverkennbaren Stärken des Buches. Ihm mangelt es allerdings an differenzierten Analysen und Einschätzungen zum Gefahrenpotential oder an systematischen Erörterungen oder Vergleichen – was aber auch für journalistische Werke kein absolutes „Muss“ ist. Berücksichtigt man dies, kann der Band mit großem Erkenntnisgewinn gelesen werden

Armin Pfahl-Traughber

Gregor Mayer/Bernhard Odehnal, Aufmarsch. Die rechte Gefahr aus Osteuropa, St. Pölten 2010 (Residenz Verlag), 297 S., 21,90 €