Kommentar

Profisport – Spaß und Würde kaum erwünscht

fussball.png

HAMBURG. (hpd) Vor wenigen Tagen hat der frühere Fußball-Nationalspieler Marcell Jansen seinen endgültigen Rücktritt vom Profifußball erklärt – mit nur 29 Jahren. So überraschend der Rücktritt auch kam, umso enttäuschender war die Reaktion von Rudi Völler, Sportdirektor beim Bundesligisten Bayer Leverkusen. Dieser entgegnete Jansen mit harter Kritik an seinem vorzeitigen Karriereende. "Wer sowas macht, hat den Fußball nie geliebt", lautete sein niederschmetterndes Urteil. Doch Jansen reagierte mit einem außergewöhnlichen Statement, das die Liebe am Sport hervorhebt und distanzierte sich, wenn auch dezent, von dem Geschäft, das hinter dem Profifußball steht.

Marcell Jansen war zwölf Jahre lang Profifußballer, spielte für große Vereine, wie Borussia Mönchengladbach, den Hamburger SV, oder den FC Bayern München. Er absolvierte 45 Länderspiele, errang mit der DFB-Elf den 3. Platz bei der Weltmeisterschaft 2006 und wurde 2008 Vize-Europameister. Angesichts einer solch beachtlichen Karriere, kann von fehlender Liebe für den Fußball keine Rede sein, was er im Rahmen einer eigenen Stellungnahme nochmal deutlich hervorhob: "Herr Völler hatte Recht, das Fußball-Geschäft habe ich nie geliebt aber akzeptiert, denn das Fußball-Geschäft hat mir vieles ermöglicht [...]. Nach zwölf Jahren als Berufsfußballer möchte ich nun mein Hobby zurück!" Diese Aussage trifft einen wichtigen Nerv, denn sie wirft die Frage auf, welchen Stellenwert Sport in unserer Gesellschaft gegenwärtig einnimmt.

Profisportarten, so auch der Fußball in Deutschland, sind mit einer enorm hohen psychischen Belastung verbunden. Spielerinnen und Spieler in dieser Branche stehen unter dem Erwartungsdruck ihres Trainingsstabs, ihrem eigenen Team und natürlich unter dem Druck der Fans. Sie haben allesamt wenig Zeit, um sich ihren Hobbys zu widmen, ihrer Familie, oder ihrem Freundeskreis. Darüber hinaus besteht permanent die Gefahr, in die Ungnade aller zu fallen, wenn erwünschte Leistungen nicht erbracht werden. Manchmal ist dies mit einem Karriereabsturz verbunden, der die Profis schließlich in die Depression treibt. Beispiele dafür gibt es genug: Sebastian Deisler, ehemaliger Profi beim FC Bayern München, beendete aufgrund von Depressionen seine Karriere mit 27 Jahren. Robert Enke, früherer Nationaltorhüter, nahm sich 2009 das Leben, da er dem psychischen Druck nicht mehr Stand halten konnte. Mindestens genauso schlimm trifft es Profifußballerinnen, die nicht nur unter dem selben Druck stehen, sondern viel weniger Geld erhalten als ihre männlichen Kollegen. Profifußball ist ein brutales Geschäft, das keinerlei emotionale Bedürfnisse kennt, sondern ausschließlich nach Profit arbeitet. Die jüngsten FIFA-Skandale belegen nochmals besonders deutlich diesen Befund.

Vergangenes Jahr kündigte die Bundesregierung an, Fördermittel vermehrt dem Spitzensport zukommen zu lassen und lässt damit insbesondere kleinere Sportvereine im Stich, die häufig mit schwindenden Mitgliederzahlen zu kämpfen haben. An dieser Stelle sollten Sportpolitiker und -funktionäre die Frage stellen, woher die vielen Profis eigentlich ursprünglich kommen. Sie kamen, meist als Kinder, zu kleinen lokalen Sportvereinen. Überwiegend ehrenamtlich Tätige weckten in ihnen den Spaß an Bewegung, förderten Teamgeist und vermittelten ihnen, fair und respektvoll mit ihren Gegnern umzugehen. Sport soll einen großen Teil zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen und Menschen beibringen, auch mal einstecken zu müssen, denn jeder Mensch erleidet Niederlagen. Doch in solchen Fällen, existiert Solidarität, die jeden einzelnen auffängt und niemanden im Stich lässt. Solche Werte existieren im jetzigen Profifußball nicht, sondern allein die Frage, wie viel Geld ein Verein durch konstant erfolgreiche Leistungen einnimmt, um unter den Konkurrenten bestehen zu können. Eine solche Haltung kann unter Umständen jeden Spaß an diesem Sport nehmen, solange sich nicht jeder Profi diesem Leistungsprinzip unterwirft.

Marcell Jansen hat sich gegen diesen Leistungsdruck entschieden und will auf eine andere Weise seine Liebe zum Sport ausleben und hoffentlich auch an zahlreiche Nachwuchssportlerinnen und -sportler weitervermitteln. Nun besteht die Chance, einen Stein ins Rollen zu bringen und all diese Missstände auf einer breiten gesellschaftlichen Ebene zu diskutieren. Der Spiegel führte anlässlich Jansens Rücktritt eine Online-Umfrage durch, die fragte, ob dieser kritisch zu bewerten sei. Über 80 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus, dass er das Recht habe, selbstbestimmt diese Entscheidung zu treffen. Vielleicht fällt diese Diskussion auf fruchtbaren Boden.