Wir haben es satt! - Demo in Berlin

Zwischen Protest und Unwissenschaftlichkeit

BERLIN. (hpd) Es ist bereits zu einer Tradition geworden: Zum sechsten mal gibt es pünktlich zur Grünen Woche und in engem Zusammenhang mit ihr großangelegte Proteste gegen Massentierhaltung und die konventionelle Landwirtschaft. Und wie immer tummelt sich zwischen berechtigtem Protest auch seltsam Unwissenschaftliches auf den Plakaten und Spruchbändern.

Bereits im Vorfeld wurde medienwirksam auf die Großdemonstration hingewiesen: Auf einer Pressekonferenz wurden am vergangenen Donnerstag die Forderungen der Demonstration bekanntgegeben und in Sichtweite des Bundeskanzleramtes ein riesiger Haufen Mist auf die Straße gekippt. Die Grüne Woche wurde von rund 500 Aktivisten gestört, die dann später zum Potsdamer Platz zogen, um sich der Großdemo anzuschließen.

Angeführt wurde der Demonstrationszug von 130 Traktoren, die aus der gesamten Republik nach Berlin gekommen waren. So viele Fahrzeuge sammelten sich noch bei keiner der “Wir haben es satt”-Demos; allerdings schien es, als wären es in diesem Jahr etwas weniger Menschen, die hinter den Traktoren unterwegs waren als noch im letzten. Die Polizei sprach von rund 13.000 Teilnehmern; die Veranstalter von 23.000.

“Wir machen uns für eine ökologische Landwirtschaft stark, die Agrarindustrie haben wir satt”, sagte auf der Kundgebung der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Georg Janßen. “Die aktuelle Agrarpolitik zielt nur auf eine Steigerung der Exporte, dadurch sinken die Preise.”

Zu der Demonstration hatten über 100 Organisationen und Verbänden aufgerufen. Wie bereits im vergangenen Jahr wurden TTIP und CETA abgelehnt, die vor allem auch für Kleinbauern bedrohlich sind. Auch Landwirte aus Indien nahmen an der Kundgebung teil. Sie wiesen darauf hin, dass der Export von billigem, europäischen Milchpulver für indische Bauern existenzbedrohend sei. Am Rande der Startkundgebung protestierten Syrer mit einem Banner, auf dem “Food is not an weapon!” stand. Damit sollte darauf hingewiesen werden, dass Hunger vom Assad-Regime in Syrien als Waffe eingesetzt wird.

Malte Hentschke von der “Klima-Allianz” wies darauf hin, dass von kleineren Betrieben auch das Klima profitieren würde: “Bauernhöfe nutzen weniger klimaschädliche Zusatzstoffe wie Stickstoffdünger. Und das Futtermittel aus der Region stärkt die lokale Wirtschaft.”

Neben den berechtigten Forderungen gegen Massentierhaltung und chemischer Überdüngung der Böden gab es auch in diesem Jahr Plakate, die “Essen ohne Gene” forderten; eine Forderung, die Unsinn ist. Das ist in den letzten Jahren wohl auch vielen der Protestierenden klar geworden, denn auf den Plakaten las man in diesem Jahr häufiger die Ablehnung “gentechnik-verändertem” Lebensmitteln. Das kann man ablehnen; ob es allerdings sinnvoll ist, ist zu diskutieren.

“Es muss möglich sein, dass Bauern von ihren Produkten leben können” hörte man von mehreren Rednern. Wenn der Milchpreis nicht einmal die Kosten der Landwirte deckt, läuft irgendetwas gnadenlos falsch. Vor allem NABU-Chef Olaf Tschimpke machte sich dafür stark, dass die Landwirte für ihr Leistungen bezahlt werden müssen.

Groß war auch der Anteil derer, die für eine vegetarische Ernährung eintraten. Gemeinsam mit Bauern, die Schweine und Rinder produzieren, mit Menschen, die “ein gutes Stück Fleisch auf dem Teller” schätzen, vertrat der Vegetarierbund Deutschland (VEBU) das Ziel, “den Fleischkonsum dauerhaft zu senken und eine pflanzenbetonte Lebensweise als attraktive und gesunde Alternative allen Menschen zugänglich zu machen”.

Bei einem Zwischenstopp vor dem Bundeslandwirtschaftsministerium sagte Minister Christian Schmidt (CSU): “Die intensive Landwirtschaft bleibt unverzichtbar. Die Weltbevölkerung wächst. Wer diesen Punkt ausblendet, betreibt Realitätsverweigerung.” Allerdings hieße das ja nicht, dass ökologische Aspekte missachtet werden müssten, so der Minister.