Eine Einführung ins skeptische Denken

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Dr. Christoph Bördlein / Fotos: Dennis Mrbach

FRANKFURT/M. (hpd/sh). Zur Auftaktveranstaltung 2011 der Säkularen Humanisten –Rhein-Main (in Zusammenarbeit mit DiKOM e.V.) kam Dr. Christoph Bördlein nach Frankfurt, um Wege aufzuzeigen, wie man sich zum skeptischen Denken erziehen kann: Von Sockenfressenden Monstern in Waschmaschinen und hellseherischen Telefonterroristen.

Bericht und Kommentar: Alexander Tschierse

Zum zentralen Dreh- und Angelpunkt des Abends wurde – wie nicht anders zu erwarten war – die Wissenschaft als Methode zur Prüfung von Behauptungen. Präziser formuliert, die wissenschaftlichen Methoden mit dem Ziel, Fremd- und Selbsttäuschungen zu verhindern.

In einem ersten Schritt ging Dr. Bördlein der Frage nach, auf welche Weise aufgestellte Behauptungen zu prüfen seien. Ein lebensnahes Beispiel hierzu formulierte er in der Frage, wohin denn eigentlich alle einzelnen Socken nach einem Waschgang verschwunden sein könnten.

Das vermehrte Auflachen des interessierten Publikums verwies darauf, dass sich diese Frage viele schon einmal gestellt hatten, ohne eine überzeugende Antwort gefunden zu haben. Doch nun wurde sich dieser Angelegenheit schonungslos genähert. Das Schmunzeln nahm nicht ab, als zur möglichen Erklärung dieses wohlbekannten Phänomens neben sich in Hosen verfangenen Socken und einem einbeinigen Dieb, der einen einzigen Socken entwendet haben könnte, unter anderem ein sockenfressendes Monster in der Waschmaschine und ein sich bildender Hyperraumtunnel (bedingt durch den Schleudervorgang) benannt wurden.

Worauf wollte der Referent eigentlich hinaus? Hierzu nannte er drei Punkte:
1. Welche Erklärung ist wahrscheinlich, welche ist unwahrscheinlich?
2. Warum empfinden wir das so?
3. Warum ist zunächst nicht jede Theorie gleich wahrscheinlich?

Die Antwort fiel geradezu entwaffnend einfach aus: Das Für-Wahr-Halten einer angebotenen, einer möglichen Erklärung kollidiert stets mit unserem eigenen Weltwissen.

Bei einem Sockenfressenden Monster in der Waschmaschine werden annähernd 100% diese Begründung als unglaubwürdig einstufen. Wenn es allerdings – ein anderes Thema beleuchtend - um die Wirkung der Homöopathie geht, ist diese Eindeutigkeit bereits aufgeweicht. Und bei der Frage nach „Existiert ein schöpferischer Gott“ ist die Menschheit bis heute tief gespalten – mit all den unschönen Auswirkungen, die täglich zu beobachten sind.

Als den entscheidenden Punkt für einen Zwist dieser Art gilt und galt: Die Belegpflicht liegt beim Behauptenden. Dies bedeutet in der Folge: je unwahrscheinlicher eine Behauptung ist, umso qualitativ belastbarer müssen die Erläuterungen sein (weiterführend s. a. „Ockhams Messer“).

Der zweite Teil des Vortrages lag in der Vermittlung eines Leitfadens zum kritischen Denken, dem die annähernd 50 Besucher im Saal aufmerksam folgten.

Die Möglichkeiten, sich zu täuschen respektive sich täuschen zu lassen, sind vielfältig:

  • Falsches Zählen. Die Annahme, dass mein Telefon stets dann klingelt, wenn ich unter der Dusche stehe, wird scheinbar dadurch bekräftigt, dass ich nur diese einzige Abfolge be- und vermerke, alle anderen möglichen Kombinationen jedoch nicht.
  • Herstellen eines falschen Bezugs. Wenn beispielsweise in einer Horoskopaussage für jeden Leser eine oder auch mehrere Aussagen zutreffen, werden diese Informationen unter Umständen durch den Leser selektiv auf sich selber projiziert (weiterführend s. a. „Barnum-Effekt“).
  • Bestätigungstendenz. Informationen werden einseitig ausgelesen und beschafft, um die eigene (vorgefasste) Annahme zu bekräftigen und zu verstärken.
  • Wahrnehmungstäuschungen. Da das Wahrnehmen immer eine Konstruktion und hypothesengeleitet ist, können auch hier Interpretations-Fallstricke verborgen liegen.
  • Erinnerungsfehler. Eine gedankliche Rekonstruktion ist niemals dem Abspulen eines Films gleichzusetzen, sondern die Karten - die Überleitungen vom einen zum nächsten Ereignis – werden, obwohl die zentralen Erinnerungen präsent sein mögen, „neu vermischt“; mit allen möglichen, teils fehlerhaften Folgen.
  • Der verführerische Schein der Plausibilität. Was uns plausibel erscheint und damit eng mit unserem Weltwissen verknüpft ist, rangiert auf der subjektiven Wahrscheinlichkeitsskala höher als alternative, also hiervon abweichende Erklärungen.

Warum aber - und damit leitete Dr. Bördlein den Schluss des Abends ein - werden denn nun bisweilen auch bisweilen haarsträubende Konstrukte geglaubt? Auch hier die klare und einfache Antwort: weil sie für wahr gehalten werden.

Sehr selten liegt dem eine böswillige Absicht zugrunde. Im Gegenteil: das Bedürfnis nach Kontrolle und Einordnung spielt hier sein Königsblatt schonungslos herunter.

Um die Eingangsfrage nicht offen zu lassen, wohin denn nun all die Socken verschwunden seien, empfahl der Referent, mögliche Erklärungen skeptisch-nachfragend zu gewichten und doch auch - unter Umständen - eine gefühlte Unbestimmtheit schlichtweg auszuhalten. Und somit mit dem Zweifel zu leben.

Nach einigen Fragen aus dem Publikum heraus, klang der Abend in gemütlicher Runde bei einem gemeinsamen Glas Wein im Saalbau-Restaurant aus.

 

Das Buch zum Vortrag ist auch im denkladen erhältlich.


Nächstes Monatstreffen der Säkularen Humanisten Rhein-Main: 18.02.2011 um 19.00 Uhr im Club Voltaire, Kleine Hochstr. 5, 60313 Frankfurt am Main. Interessierte sind jederzeit herzlich willkommen -

Nächste Veranstaltung der Säkularen Humanisten Rhein-Main (gemeinsam mit den Gottlosen Humanisten Mainz - Rheinhessen) 18.03.2011 – Dipl.-Psychologe Volker Dittmar „Hypnose: Unerklärlich, esoterisch, magisch oder natürlich?“ - 19.30 Uhr - Saalbau Gallus, Frankenallee 111, 60326 Frankfurt am Main.

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