Das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden

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Plenum / Fotos: Heinke Först

OSLO. (hpd) Die zweite Augustwoche waren wir in Norwegen. Nicht nur, dass wir dort Urlaub machen wollten, der auslösende Grund für diese Reise war der Gründungskongress für eine Internationale Vereinigung der Freidenker, der am 10. August stattfand. Eine Nachbetrachtung.

Wir waren noch nie in Norwegen gewesen, unsere Kenntnisse also begrenzt. Es kamen Jugenderinnerungen zum Vorschein, ich komme aus einer holsteinischen Kleinstadt und jedes Jahr findet dort ein internationales Musikzugfestival statt. Stets gab es viele Norweger und Schweden, die diese Tage stockbetrunken „überlebten“. Also: der Alkohol vor Ort musste sehr teuer sein. Unser Reiseführer, in letzter Minute vor Reisebeginn in Berlin gekauft, bestätigte: Oslo ist die teuerste Stadt der Welt, noch vor Tokio.

Mit dem Ekspressen-Bus ging es vom Flughafen ins 60 km entfernte Oslo zur Jugendherberge im Zentrum, die ersten drei Nächte waren im Schlafsaal vorgesehen. Wiedersehen mit Freunden der französischen Freidenker im Schlafsaal, der reinste Jungbrunnen... Um am nächsten morgen nicht Schlange vor den Duschen stehen zu müssen und rechtzeitig zum Kongress zu kommen: aufstehen um 6.30 Uhr.

Der Kongress fand im Vorlauf des IHEU-Kongress statt, die Grundlage war das Manifest für die Gewissensfreiheit, unterschrieben seit April von über 300 Menschen aus aller Welt.

Die Präsidentin der IHEU, Sonja Eggericks hielt eine sehr emotionale Begrüßungsrede, bevor dann der Freidenker-Kongress mit vielen weiteren Reden beginnen konnte.

Alle Redebeiträge waren inhaltlich von der strikten Trennung von Staat und Kirchen geprägt und gleichzeitig von der Sorge, dass die künftige Internationale Vereinigung der Freidenker auf keinen Fall eine weitere internationale Konkurrenz-Organisation zur IHEU ist. Zu diesem Punkt wurde ein Projekt einer Konvention zwischen IHEU und AILP verabschiedet, die besagt, dass die AILP im Rahmen der Statuten eine Sektion der IHEU ist. Die AILP versteht sich als Nachfolgerin der Weltunion der Freidenker, die heute quasi verschwunden ist. Einige ihrer Mitglieder haben sich der IHEU angeschlossen und andere sind autonome Organisationen.

Es gab ein interessantes Referat von Charles Susanne (Belgien) zum Thema: Bedrohung durch den Kreationismus oder auch eines von Bobbie Kirkhart zum Atheismus in der Welt des 21. Jahrhundert. Ebenso ein Bericht über den Kampf von Valentin Abgottspon, Lehrer in der Schweiz, der aus dem Schuldienst entlassen wurde, weil er nicht unter dem Kruzifix in seiner Klasse einer öffentlichen Schule unterrichten wollte. Inzwischen hat er auf der ganzen Linie Recht erhalten und wurde wieder eingestellt.

Das Manifest für die Gewissensfreiheit ist die Basis der AILP, in dem es heißt:
• Trennung von Staat und Kirchen
• Gewissensfreiheit ist Grundrecht der Demokratie
• Gewissensfreiheit ist Grundrecht der Emanzipation der Menschheit

Die AILP wurde gegen Ende des Kongress einstimmig in einer leidenschaftlichen Atmosphäre per Akklamation gegründet und ein Rat mit Vertretern von allen anwesenden Organisationen gewählt (aus Deutschland : Ulrike Thietze und Volker Müller), sowie ein Sprecherrat mit Christian Eyschen (Frankreich), David Rand (Kanada), Albert Riva (Spanien), Antonio Vergara (Chile), Keith Porteus Wood (Großbritannien) gewählt.

Der erste Beschluss der neu gegründeten Internationalen Vereinigung der Freidenker war der Protest gegen den Besuch des Papstes in Spanien.

Nach diesem aufregenden Tag waren Stadtbesichtigung und Museen angesagt. Das absolute Highlight war natürlich das Munch-Museum; atemberaubende Bilder und ein Humanist! Die Oper, die Architektur: offen (wie die Norweger). Was auch sehr angenehm aufgefallen ist: kaum Polizeipräsenz in der Stadt, auch nach diesem unaussprechlich grausamen Attentat! Mit offener Demokratie und nicht mit Repression darauf zu reagieren ist wirklich gelebte Demokratie! Hut ab! Ich bin mir da nicht sicher, ob es bei uns auch so gegangen wäre.

Heinke Först

Eine neue Internationale der Freidenker? (30. Mai 2008)

Manifest „Achtet unsere Gewissensfreiheit!“ (17. April 2008)