Chronologie der NSU-Serienmorde

(hpd) Die beiden Journalisten Maik Baumgärtner und Marcus Böttcher legen mit ihrem Buch „Das Zwickauer Terror Trio“ eine Chronologie der Ereignisse um die NSU-Serienmorde vor – mitunter allzu sehr beschreibend, dafür aber auch ohne Polemik und Verschwörungstheorien.

Die Aufdeckung der Taten des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) im November 2011 hat – und das kann man wohl ohne Übertreibung sagen – die Republik erschüttert: Drei Neonazis agierten fast vierzehn Jahre im Untergrund und ermordeten in dieser Zeit zehn Menschen. Nicht nur den Polizei- und Verfassungsschutzbehörden, auch der Antifa-Szene und den Medien blieb die Existenz der Gruppe verborgen. Einer der ersten Fachjournalisten, der den Fall auch für das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ mit aufarbeitete, war Maik Baumgärtner. Mit seinem Kollegen Marcus Böttcher zusammen legte er das Buch „Das Zwickauer Terror-Trio. Ereignisse, Szene, Hintergründe“ vor.

Als Fragen formulieren sie darin bereits einleitend: „Wie konnte es soweit kommen? Wie war es möglich, dass drei junge Menschen jahrelang unerkannt im Untergrund leben konnten, eine Terrororganisation gründeten, zehn Morde, Sprengstoffanschläge und Banküberfälle begingen – und warum tappten die Sicherheitsbehörden trotz zahlreicher Hinweise im Dunkeln?“ (S. 8f.)

Um eine Antwort darauf formulieren zu können, begaben sich beide Autoren auf eine Spurensuche. Dabei werteten sie zehntausende Seiten Ermittlungsakten aus, sprachen mit Aussteigern aus der Neonazi-Szene, ehemaligen Freunden des Trios, mit Ermittlern und Rechtsextremismus-Experten. Als Darstellungsform wählten Baumgärtner und Böttcher eine Chronologie: Zwar beginnt ihr Buch mit den Ereignissen am 4. November 2011 mit dem letzten Banküberfall und der Selbsttötungen der beiden männlichen Aktivisten des NSU. Danach rekonstruieren die Autoren aber die Ereignisse von dem Einstieg in den militanten Rechtsextremismus in den frühen Jahren des Trios über ihre Aktivitäten mit fingierten Bombenkoffern und dem Abtauchen in den Untergrund während der 1990er Jahre. Dem folgt Jahr für Jahr eine akribische und ausführliche Darstellung der Ereignisse ab dem ersten bis zum letzten Mord in den 2000er Jahren und der folgenden Aktivitäten bis zur Aufarbeitung von Ermittlungspannen und den offenen Fragen im Jahr 2012.

Um es gleich vorweg zu sagen: Die von den Autoren gestellten Fragen werden von ihnen selbst nicht beantwortet. Allzu sehr bleibt ihre Darstellung der schlichten Präsentation von Ereignissen verhaftet. Zwar findet man auch immer mal wieder Bewertungen und Kommentare, die aber meist nur in Frageform anklingen und nicht mit einer Erörterung verbunden sind. Dies spricht gegen den selbstgestellten Anspruch von Baumgärtner und Böttcher, aber doch nicht gegen das Buch in Gänze. Wer eine kompakte Gesamtdarstellung im chronologischen Sinne zu den Ereignissen sucht, wird hier sozusagen „bestens bedient“. Zwar weisen die Autoren nicht per Fußnote ihre jeweiligen Quellen konkret aus und Zitate werden nicht belegt. Gleichwohl hat man es um ein faktengesättigtes und nahezu fehlerfreies Buch zum Thema zu tun. Da die Autoren meist auf polemische Kommentare und schlichte Verallgemeinerungen verzichten, kann in der primären Ausrichtung auf eine Beschreibung letztendlich sogar ein Vorteil gesehen werden.

Dies gilt auch und gerade für ihre Ausführungen zum Umgang der Behörden mit dem Thema. Baumgärtner und Böttcher erinnern etwa daran, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz im Juni 2000 noch vor dem ersten Mord ohne Anspielung auf das Trio vor dem Aufkommen eines Rechtsterrorismus gewarnt hatte (vgl. S. 97f.), aber dann im Juli 2004 keine Anhaltspunkte für militante Aktionen der Flüchtigen (vgl. S. 138) konstatierte. Differenziert kommentieren sie auch die Eingeständnisse des Versagens durch die Präsidenten der Sicherheitsbehörden: Statt „konkret zu werden und die eigenen Versäumnisse offen zu legen“, legte man sich nicht fest, „wo die Ermittler Fehler machten“ (S. 248). Statt diffuser „Verschwörungstheorien“ deuten die Autoren viel realistischere Erklärungen für die Fehler der Sicherheitsbehörden an, fragen sie doch etwa: „Könnten auch Rivalitäten zwischen dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz und dem Landeskriminalamt Thüringen dafür gesorgt haben, dass die Fahndung nicht optimal verlief?“ (S. 230).

Armin Pfahl-Traughber

Maik Baumgärtner/Marcus Böttcher, Das Zwickauer Terror Trio. Ereignisse, Szene, Hintergründe, Berlin 2012 (Verlag Das Neue Berlin), 256 S., 14,95 €.