Was lange dauert, muss nicht gut werden

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Aloisius-Kolleg der Jesuiten in Bonn (Historische Luftaufnahme)

BERLIN. (hpd) Die katholische Kirche hat nach sehr langer Vorbereitungszeit eine neue Expertengruppe zusammengestellt, die Missbrauchsfälle in 27 deutschen Bistümern aufarbeiten soll. Die Kommission ist zwar hochrangig besetzt, allerdings sind die Betroffenen unterrepräsentiert.

 

Zwar sagte Psychologe Harald Dreßing vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim bei der Vorstellung des Gremiums: "Die Opfer sind die eigentlichen Experten", doch das Team besteht vorrangig aus sieben Professoren, die Stephan Ackermann, der Bischof von Trier und Beauftragte für Missbrauchsfälle der Bischofskonferenz, gestern öffentlich vorstellte.

Der Sprecher der Betroffenen-Initiative Eckiger Tisch, Matthias Katsch, fordert in einer Pressemitteilung jedoch mehr Einbindung der Betroffenen.

"Es ist gut, dass es nun doch noch zu einer eigenen Initiative der katholischen Kirche zur Aufarbeitung der zahlreichen Missbrauchsfälle durch ihre Priester in den vergangenen Jahrzehnten kommt. Lieber spät als gar nicht. Über die zahlreichen inhaltlichen Fragen an das Vorhaben wird noch zu reden sein, etwa über den gewählten Ansatz, die Auswahl (nur 9 von 27 Bistümern) und die Aktenbasis der Untersuchung" heißt es darin.

Er wirft der Kirche vor, auch diesmal die Chance verpasst zu haben, die Betroffenen in ihr Vorhaben einzubeziehen. In den ein Jahr lang dauernden Vorbereitungen dieses Projektes gab es nicht einmal einen Versuch, auf Betroffenenvertreter zuzugehen.

Aufarbeitung beginnt immer mit den Opfern, die anfangen zu sprechen. Aktenbefunde sind dann im Nachgang hilfreich, um Hintergründe und Zusammenhänge aufzudecken. Aufarbeitung bietet den Opfern, aber auch den Vertretern der Institution die Chance zur Verarbeitung des Geschehenen.

Aufarbeitung kann der Institution dabei helfen, ihre spezifischen Risikofaktoren zu erkennen und diese durch konsequente Schutzkonzepte zu minimieren. Doch offenbar tun sich die Bischöfe schwer dabei, die Betroffenen, die häufig auch durch das Leitungsversagen ihrer Vorgänger zu Opfern wurden, als Subjekte im Aufarbeitungsprozess ernst zu nehmen. Aufarbeitung geht aber nur mit den Opfern, nicht für sie oder gar ohne sie.

Katsch fordert eine "vielfach geforderte umfassende, systematische und unabhängige Aufarbeitung sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen in Familien, Heimen und Institutionen in Deutschland." Er hält sie auch weiterhin für eine wichtige Herausforderung, der sich die Gesellschaft durch die Einsetzung einer Unabhängigen Kommission durch das Parlament stellen sollte.

 

F. N.