"Das Biedermeier-Komplott"

Zahlreiche Sachbuch-Bestseller der letzten Zeit beschwören traditionelle Werte als Mittel zur Lösung gegenwärtiger Probleme:

Bernhard Bueb fordert mehr Disziplin in den Schulen, Peter Hahne will Gott wieder zurück in die Politik holen, Eva Hermann sieht Frauen vorrangig in Familie und Heim am richtigen Platz, Matthias Matussek geht der „Deutschwerdung" an sich selbst nach. Für die Kölner Publizistin Claudia Pinl handelt es sich dabei um „Das Biedermeier-Komplott" - so jedenfalls der Titel ihrer Streitschrift gegen das „neokonservative Grundlagenmaterial" der genannten Autoren.

In acht Kapiteln widmet sie sich den Themen derartiger Schriften: dem angebliche Aussterben der Deutschen und dem prognostizierten Zerfall der Familien, dem Kampf um Werte und dem Einfluss der Gene, dem neuen Patriotismus und der Renaissance der Religion als Heilmittel. Zunächst referiert die Autorin die Auffassungen der erwähnten Publizisten, um sie dann einer polemischen Kritik zu unterziehen. Abschließend bewertet sie „das Biedermeier-Komplott" als Angriff auf die Demokratie.

Die damit entstandene Polemik ist einseitig und überspitzt. Nicht anders verhält es sich aber mit den kritisierten Schriften. Pinl kann gegen derartige Veröffentlichungen immer dann gut „punkten", wenn sie die erwähnten Auffassungen mit der gesellschaftlichen Realität und sozialwissenschaftlichen Forschung konfrontiert. So registrieren di Fabio, Hahne & Co. etwa nicht den Strukturwandel der Familien und idealisieren Vorstellungen eines solchen sozialen Miteinanders.

Die Bestseller mit derartigen Inhalten stehen gewiss für einen gesellschaftlichen Trend. Von einem „Biedermeider-Komplott" sollte man aber nicht sprechen, klingt dies doch all zu sehr nach Verschwörung. Dass die erwähnten Autoren in Form und Inhalt nicht eine Einheit bilden, macht Pinl gegen Ende ihrer Streitschrift selbst deutlich. Vielleicht wären ein höheres Differenzierungsvermögen und mehr Sachargumente wünschenswert gewesen. Man kann es aber auch anders sehen: Warum soll man nicht einseitigen Streitschriften im Stil einer eigenen einseitigen Streitschrift begegnen?

Armin Pfahl-Traughber

 

Claudia Pinl, Das Biedermeier-Komplott. Wie Neokonservative Deutschland retten wollen, Hamburg 2007 (Konkret Literatur Verlag), 176 S., 15,00 €