Dresden stellt sich quer

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Plakat / Alle Fotos: Elke Schäfer

DRESDEN. (hpd) 13. Februar - seit 64 Jahren Datum des Gedenkens an die Zerstörung Dresdens und deren Opfer. Die Innenstadt stellt sich an diesem Tag zweigeteilt dar. Getrennt durch die Elbe mit ihren durch Polizei belagerten Brücken, glich die Neustädter Seite einem Heereslager, während auf der Altstädter Seite die leisen Gedenkfeiern an Frauenkirche, Rathaus und Synagoge stattfanden.

In den letzten Jahren hat sich eine eigenartige Entwicklung gezeigt. Ausgerechnet Neonazis, die nach wie vor den Holocaust leugnen und deren geistige Väter die Hauptverantwortlichen für die Zerstörung zahlreicher Städte während des 2. Weltkrieges waren, benutzen zunehmend diesen Tag, um mit Aufmärschen und Kundgebungen ihre angebliche Opferrolle und ihr von Hass und Menschenverachtung gekennzeichnetes Weltbild zu bekunden.

Seit Wochen wurde in Dresden debattiert, was man tun kann, um dieses Jahr den groß geplanten rechten Aufmarsch zu verhindern. Die Verwaltungsgerichte sahen wieder einmal keinen triftigen Grund, die Neonazi-Kundgebung an diesem Tag generell zu verbieten. Das demokratische Grundrecht auf Demonstration und freie Meinungsäußerung musste auch hier gewahrt bleiben, obwohl es dem Großteil der Dresdner Bevölkerung nicht passte.

Das sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen entschied am 11.2.2010, den Naziaufmarsch nach Dresden-Neustadt zu verlegen. Die Stadt Dresden scheiterte damit erneut bei dem Versuch Nazidemos zu verhindern.

Der Schlesische Platz vor dem Neustädter Bahnhof sollte Ausgangspunkt sein. Diese Entscheidung des OVG Bautzen ist ein doppelter Eklat:

  • Erstens muss man dazu wissen, dass gerade die Dresdner Neustadt das Zentrum aller möglichen Linksgruppierungen und alternativer Stadtteil ist. Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Links und Rechts waren damit vorprogrammiert.
  • Zweitens wurde der Bahnhof Dresden-Neustadt von den Nationalsozialisten als Sammelplatz für die Transporte Dresdner Jüdinnen und Juden in die Todeslager benutzt. Für die Juden, denen dort eine Gedenktafel gewidmet ist, eine schallende Ohrfeige.

Aber die Bevölkerung nahm das Recht des Protestes dagegen für sich in Anspruch. Gemeinsam mit den Jenensern, die erfolgreich ihre Stadt für Neonazis unattraktiv gemacht haben, wurde ein Konzept mit einem gemeinsamen Aktionskonsens erarbeitet: „Wir leisten zivilen Ungehorsam gegen den Naziaufmarsch. Von uns geht dabei keine Eskalation aus. Unsere Massenblockaden sind Menschenblockaden. Wir sind solidarisch mit allen, die mit uns das Ziel teilen, den Naziaufmarsch zu verhindern.”

Es wurden alle möglichen Aktionsgruppen aktiv und riefen zum Widerstand auf. Mit dem Plakat „Kein Nazi-Aufmarsch - gemeinsam blockieren” wurde zum gemeinsamen, friedlichen Protest aufgerufen. Dieses Plakat wurde im Vorfeld wegen angeblicher „Aufforderung zu Straftaten” verboten – trotzdem fand es den Weg zu den Menschen.

Auch Dresdens Oberbürgermeisterin Orosz und Sachsens Ministerpräsident Tillich riefen zum Protest auf - allerdings auf der „Gedenkseite” von Dresden, in der Altstadt. Eine riesige Menschenkette bildete sich am zeitigen Nachmittag um die Innenstadt, also zeitlich und örtlich weit entfernt vom geplanten Nazi-Aufmarsch. Rund 15.000 Dresdner und Gäste folgten diesem Aufruf und standen Hand in Hand zwischen Synagoge, Rathaus und Frauenkirche. Sie gedachten der Opfer der verheerenden Luftangriffe, bei der die Innenstadt vor 65 Jahren nahezu völlig zerstört wurde.

Die Menschenkette stand unter dem Zeichen der weißen Rose und sollte ein Symbol gegen Fremdenhass und Krieg sein. Die Oberbürgermeisterin sprach zwar vielen Dresdnern aus dem Herzen, als sie dazu aufforderte sich der Vereinnahmung dieses Gedenktages durch Rechtsextreme entgegenzustellen, fand aber keine Worte der Anerkennung für diejenigen, die mit den Blockaden in der Neustadt den rechten Aufmarsch tatsächlich verhindert haben.

Unterstützer des Aufrufs "Nazifrei! Dresden stellt sich quer" sind Musiker, wie Bela B (Die Ärzte), Konstantin Wecker, Bundestagsabgeordnete der Parteien Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, Piratenpartei sowie Landtagsabgeordnete der SPD, der Oberbürgermeister von Jena, Gewerkschaftssekretäre und Pfarrer.

Am Bündnis beteiligen sich das Aktionsnetzwerk Jena, das Antifabündnis "No Pasarán!", Die Linke.SDS, ['solid], Grüne Jugend, attac, Jusos, ver.di Jugend und viele weitere.

Das Bündnis “Dresden Nazifrei!” hatte alle Dresdnerinnen und Dresdner aufgerufen, zur Kundgebung am Albertplatz zu kommen, in unmittelbarer Nähe zum Sammelpunkt der Nazis am Bahnhof Dresden-Neustadt. Namenhafte PolitikerInnen konnten als Sprecher für diese Kundgebung gewonnen werden, wie die Bundesvorsitzende der Jusos Franziska Drohsel, die stellv. Parteivorsitzende der Linken Katja Kipping, der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime Aiman Mazyek, Astrid Rothe-Beinlich vom Vorstand Bündnis 90/Die Grünen und Albrecht Schröter, Oberbürgermeister von Jena (SPD).