Nach Warnung durch den Bundesnachrichtendienst

Saudi-Arabien wird endlich öffentlich kritisiert

BERLIN. (hpd) In den letzten Tagen vermitteln deutsche Medien plötzlich ein völlig neues Bild von Saudi Arabien. Wurde das Land bislang als "Stabilitätsfaktor" in der Region wahrgenommen und als Partner des Westens, klingen seit der Warnung des Bundesnachrichtendienstes (BND) die Nachrichten deutlich anders.

Nach übereinstimmenden Meldungen macht sich der Bundesnachrichtendienst (BND) "angesichts der zahlreichen Konflikte im Nahen Osten Sorgen über das Verhalten der saudischen Führung." Waren die Waffenkäufer am Golf bisher nur Geschäftspartner mit einem kleinen Menschenrechtsproblem, stellt man nun erstaunt fest, dass "sich der neue König Salman und sein Sohn Mohammed als Anführer der arabischen Welt profilieren" wollen.

Das wird medial ausgewertet, als wäre das eine neue Erkenntnis. Dabei nutzt das Königreich seit rund fünf Jahrzehnten die mit Öl verdienten Milliarden, um den Wahabitismus – die fundamentalistischste Strömung des Islam – über die Welt zu verbreiten und auf diese Art und Weise Einfluss nicht nur in der arabischen Welt zu gewinnen. Mit Erfolg, wie leider anzuerkennen ist. "Das saudische Erdöl ist das Schmiermittel für die Weltwirtschaft, der saudische Islam aber ist eine Gefahr für den Weltfrieden" fasst das Rainer Hermann in der FAZ zusammen und zieht ebenfalls den Schluss, dass Daesh (IS) "die besonders gewalttätige Fortsetzung des wahhabitischen Islams" sei.

Die tagesschau erklärt zum Papier des BND: "Derartige öffentliche Äußerungen sind für die normalerweise verschwiegene Sicherheitsbehörde selten, zumal Saudi-Arabien im Bürgerkrieg in Syrien eine wichtige Rolle einnimmt." Die wichtige Rolle besteht zwar offiziell darin, an der Wiener Konferenz teilzunehmen und über eine politische Lösung des Konfliktes zu beraten. Aber im Geheimen ist Saudi Arabien weiterhin Geld- und Waffenlieferant des Daesh und bemüht, die Lage in der Region zu destabilisieren, um den Einfluss des Iran und die Unterstützung Syriens für die schiitische Hisbollah aus dem Libanon einzudämmen.

Es wird in den aktuellen Meldungen nicht deutlich, was dazu führte, dass sich fast unisono alle Medien auf die BND-Warnung stürzen und plötzlich die Saudis kritisieren. Der Krieg, in dem die Saudis Jemen bombardieren, tobt schon eine ganze Weile – ohne bislang kritisiert worden zu sein. Doch nun heißt es (zum Beispiel in der ZEIT): "Der Nachrichtendienst sieht vor allem den saudischen Militäreinsatz im Jemen als Beleg für seine Analyse. Dort kämpft saudisches Militär gegen Rebellen, die die Regierung entmachten wollen. Mit diesem Einsatz wolle Saudi-Arabien beweisen, dass es bereit ist, beispiellose 'militärische, finanzielle und politische Risiken einzugehen, um regionalpolitisch nicht ins Hintertreffen zu geraten'." "Das autoritär regierte Land hatte im Frühjahr 2011 mit Panzern und Soldaten an der Niederschlagung von Protesten in Bahrain mitgewirkt." Zu genau dieser Zeit hat Deutschland LeopardII-Panzer an die Saudis verkauft; Panzer, die auch im Inland gegen Proteste einsetzbar sind.

Dietrich Alexander warnt heute in der WELT: "Wir paktieren mit einem mittelalterlichen Regime, das Mörderbanden in alle Welt entsendet und einen Krieg gegen die eigene Jugend führt." Im Artikel weist er auch auf die Menschenrechtsverletzungen hin, von denen einige – wie das Schicksal von Raif Badawi – weltweit Aufmerksamkeit erregten. Über den Großteil der alltäglichen Unterdrückung wissen wir allerdings wenig. Aktuell ist der Fall eines Twitter-Nutzers, der die Methoden des Golfstaates mit jenen der Organisation Daesh (IS), verglich.

Es wird interessant sein, zu beobachten, ob diese neue Einschätzung der Rolle Saudi Arabiens auch wirtschaftlich Konsequenzen zeigt. Investiert doch derzeit zum Beispiel die Deutsche Bahn dort Millionen in den Ausbau der ersten Hochgeschwindigkeitsverbindung auf der arabischen Halbinsel. "Seit September 2013 sind wir mit der Planprüfung des Oberbaus, der Ausrüstungstechnik, der Bauüberwachung und der Kontrolle der Fahrzeugproduktion sowie dem Projektmanagement beauftragt worden" sagte Niko Warbanoff, Vorsitzender der Geschäftsführung von DB International laut bdz.