Über fehlenden Anstand und problematische Positionen in der Partei

Die AfD – keine Alternative für Deutschland

BONN. (hpd) Demokraten sollten eigentlich nicht von der “Alternativlosigkeit von Politik” sprechen, denn es gibt zu jeder politischen Entscheidung auch andere Optionen. Diese müssen nicht immer eine realistische und unproblematische Ausrichtung aufweisen, gleichwohl gehören sie in eine offene und pluralistische Gesellschaft.

Daher sollte es auch Alternativen zu etablierter Politik geben, welche mit ihr um Akzeptanz im Volk ringen. Als mit der “Alternative für Deutschland” (AfD) eine Partei entstand, die eine andere Auffassung zur Europapolitik als die unterschiedlichen Bundestagsparteien vertrat, gab sie sich einen einschlägigen Namen.

Das Gründungsthema spielt aktuell für die AfD aber keine Rolle mehr, stellt sie sich doch als Alternative zur Flüchtlingspolitik von Regierung und Opposition dar. Da durchaus Problempotentiale in den beiden genannten politischen Themenfelder bestehen, ist dies in einer modernen Demokratie ein normaler Vorgang. Umgekehrt darf aber ebenso ein kritischer Blick auf die neue politische Kraft mit ihrem Anspruch auf Seriosität geworfen werden.

Genau dies beabsichtigt die folgende Abhandlung, die keine Gesamtdarstellung der neuen Partei präsentieren will. Auch soll nicht die Frage erörtert werden, ob es sich bei der AfD um eine rechtsdemokratische, rechtsextremistische, rechtskonservativen oder rechtspopulistische Partei handelt. Dafür bedarf es einer ausführlicheren Erörterung. Und schließlich kann hier keine Analyse der AfD-Positionen zu bestimmten Politikfeldern erfolgen, denn es liegen weder ein allgemeines Programm noch konzeptionelle Texte vor.

Die Aufmerksamkeit richtet sich vielmehr auf die öffentliche Präsenz von hochrangigen Funktionsträgern der Partei, die insbesondere auf Demonstrationen und in Talkshows von sich reden machten und machen. Daher findet sich fortan eine Aneinanderreihung von einschlägigen Bekundungen und Ereignissen, ergeben sie doch ein anschauliches Bild der AfD-Führungskräfte. Denn fehlender Anstand und problematische Positionen machen bei näherer Betrachtung deutlich, dass von einer bürgerlich-seriösen Partei schwerlich gesprochen werden kann.

Anlässlich eines ARD-Interviews äußerte sich der AfD-Kreisvorsitzende Uwe Wappler über die Bedrohung von Bürgern durch Flüchtlinge. In diesem Kontext sprach er einen Fall von Vergewaltigung an: Danach sei an der Unterweser ein zwölfjähriges Mädchen von Flüchtlingen vergewaltigt worden und die Justiz habe sich nicht um die Aufklärung der Tat gekümmert. Wappler sagte vor laufender Kamera: “Wenn so etwas passiert und man greift aus Political Correctness nicht ein und macht die Täter nicht dingfest, dann ist das Anarchie”. Nähere Informationen zu dem angeblichen Vorfall konnte er indessen nicht geben. Dies wäre auch schlecht möglich gewesen, denn die Geschichte stimmte nicht. Nachdem Wappler dies einsehen musste, äußerte er: “Ich gebe zu, dass Sie hier sehr gute journalistische Arbeit machen. Jetzt haben Sie mich auf dem falschen Fuß erwischt.” Er sprach später ohne näherer Erläuterung von Verwechslung (Augsburger Allgemeine 3.11.2015). Es ist nicht der einzige Fall, wo freie Erfindungen dieser Art an die Öffentlichkeit kamen und kommen.

Am 21. November 2015 hielt der AfD-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag Björn Höcke anlässlich einer Konferenz des “Instituts für Staatspolitik”, das als “Denkfabrik” der “Neuen Rechten” gilt, einen Vortrag. Dabei sprach er davon, dass in Afrika und Europa durch die Evolution zwei Fortpflanzungsstrategien von “phylogenetisch” unterschiedlichen Menschentypen entstanden seien. Die “r-Strategie” stehe für den “lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstyp” und die “K-Strategie” für den “selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp”. Am “Reproduktionsverhalten der Afrikaner”, so Höcke weiter, würde sich solange nichts ändern, wie “wir bereit sind, diesen Bevölkerungsüberschuss aufzunehmen” (FAZ vom 14.12.2015). Inwieweit derartige Auffassungen als rassistisch gelten können, lässt sich kontrovers diskutierten. Es handelt sich aber eindeutig um eine biologistische Auffassung, die menschliches Handeln eindimensional und falsch aus der Natur ableitet. Da Höcke seine Auffassungen ablas, handelte es sich nicht um einen Ausrutscher.
Aus der AfD heraus kam es zu unterschiedlichen Reaktionen: Der Bundesvorstand lehnte die Ansichten von Höcke ab und legte ihm gar den Parteiaustritt nahe. Gleichwohl blieb es bei der Erklärung, die für ihn keine Folgen hatte. Höcke behielt seine Funktionen in der AfD. Der Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, erklärte demgegenüber, er habe bei Höckes Aussagen “nichts feststellen können, was gegen die Grundsätze der AfD verstoßen haben könnte” (www.faz.net 13.12.2015). Demgegenüber betonte der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen, die Aussagen von Höcke seien “sachlich unsinnig, entbehrten wissenschaftlicher Substanz und laden zu Fehldeutungen als rassistischen Aussagen ein” (Handelsblatt, 14.12.2015). In einem Gutachten, das AfD-Mitglieder in Auftrag gegeben hatten, kam der Politikwissenschaftler Werner Patzelt zu der Auffassung, dass es sich bei den Bekundungen Höckes um “klaren Rassismus” handele (www.spiegel.de 1.1.2016). Auch diese Einschätzung löste keine Folgen für Höcke in der Partei aus.
Keine nähere Beachtung fand der Ort der Rede: das “Institut für Staatspolitik”. Diese private Einrichtung entstand 2000 als “Denkfabrik” der “Neuen Rechten”. Damit gemeinte Intellektuelle berufen sich auf die “Konservative Revolution”, eine Ausdrucksform des “antidemokratischen Denkens in der Weimarer Republik” (Kurt Sontheimer). Als Mitbegründer und Organisator kommt Götz Kubitschek, einem langjährigen Weggefährten Höckes, große Bedeutung zu. Dieser bekannte sich in seiner Schrift “Provokation” 2007 ganz offen zu einer Reihe antidemokratischer Denker (vgl. S. 49). Bezogen auf den Gedanken einer öffentlichen Legitimation seiner Positionen schrieb der heutige Pegida-Redner: “Nein, diese Mittel sind aufgebraucht, und von der Ernsthaftigkeit unseres Tuns wird Euch kein Wort überzeugen, sondern bloß ein Schlag ins Gesicht” (S. 30). Kubitschek hatte Höckes Rede offenbar ohne Rücksprache ins Internet gestellt. Denn der AfD-Politiker legte zu Beginn nahe, man könne dort vor ausgesuchtem Publikum tabulos sprechen.

Am 30. November 2015 nahm Frauke Petry an der ARD-Talkshow “Hart aber fair” zum Thema “Vom Wutbürger zum Brandstifter – woher kommt der rechte Haß?” teil. Dabei fiel die AfD-Vorsitzende dadurch auf, dass sie anderen Gesprächsteilnehmern kontinuierlich ins Wort fiel bzw. bei den Stellungnahmen von anderen ständige Zwischenbemerkungen machen musste. Dies kommt zwar auch bei anderen Gäste gelegentlich vor, allerdings nur selten in dieser Penetranz. Der ansonsten als souveräne Gesprächsleiter geltende Frank Plasberg machte Petry indessen auch nicht auf die Einhaltung von Formen der Höflichkeit aufmerksam. Andere Gäste kamen dadurch kaum zu Wort. Plasberg fragte außerdem Petry, ob sie denn auch von einer “Lügenpresse” spreche. Denn diese Aussage kursiere bei Anhängern ihrer Partei bezogen auf die Medien. Daraufhin bemerkte die AfD-Vorsitzende, sie würde lieber von der “Pinocchio-Presse” sprechen, da sie “für mehr Humor” plädiere. Ein derartiges Benehmen spricht wohl kaum für Ernsthaftigkeit und Seriosität.