Aussage von Kardinal George Pell im australischen Missbrauchsskandal

Die Kirche vor Schande bewahren

BERLIN (hpd). In seiner Aussage vor einer staatlichen Kommission räumte Australiens ranghöchster Katholik, Kurienkardinal George Pell, Versäumnisse beim Umgang mit den Missbrauchsfällen bei der katholischen Kirche in Australien ein.

Per Videoverbindung aus Rom sagt der 74-jährige Kardinal Pell seit Montag vor der Royal Commission into Institutional Responses to Child Sexual Abuse im australischen Sydney aus. Ziel der staatlichen Kommission ist es, in Institutionen wie Schulen, Kirchen, Sportvereinen etc. strukturelle Schwächen aufzuspüren, die zu sexuellem Missbrauch von Kindern führen können.

Wegen seines Umgangs mit Missbrauchsfällen steht Pell, der von 1996-2001 Erzbischof von Melbourne und von 2001-2014 Erzbischof von Sydney war, seit Längerem in der Kritik. Mehrere Missbrauchsopfer hatten ihm vorgeworfen, er habe ihre Fälle vertuscht.

Gegenstand der Befragung durch die Kommission war zunächst hauptsächlich Pells Zeit als Priester in den 1970er und 1980er Jahren in der australischen Stadt Ballarat, in der sich in jenen Jahren bei kirchlichen Institutionen Fälle von sexuellem Missbrauch häuften.

Pell räumte ein, er habe, als er damals erstmals von dem Vorwurf hörte, dass Priester Kinder sexuell missbrauchten, "stark dazu tendiert", die Version der Priester zu glauben. Keine rein persönliche Tendenz, wie Pell weiter ausführte, da die Kirche insgesamt eine Neigung gehabt habe, Kindern, die sich über Priester beschwerten, nicht zu glauben. Laut der britischen Zeitung The Guardian sagte Pell wörtlich: "Zu dieser Zeit gab es eher den Instinkt, die Institution, die Gemeinschaft der Kirche, vor Schande zu bewahren."

Kurienkardinal Pell ist nicht nur der ranghöchste katholische Würdenträger Australiens, sondern auch ein ranghoher Funktionsträger im Vatikan. Seit 2014 ist er Präfekt des vatikanischen Wirtschaftssekretariates und damit Finanzchef des Vatikans. Darüber hinaus gehört er der von Papst Franziskus ins Leben gerufenen Kardinalskommission für eine Reform der Römischen Kurie an.

Im Sommer 2015 hatte der Brite Peter Saunders, Mitglied der päpstlichen Kinderschutzkommission, öffentlich geäußert, dass er Pell aufgrund seines Umgangs mit den Missbrauchsfällen in Australien für den Vatikan als unhaltbar betrachte. In einem Fernsehinterview bezeichnete Saunders Pell als "gefühllos" und "fast soziopathisch" und forderte Papst Franziskus auf, Pell von seinen Ämtern zu entbinden. Saunders Forderung waren Berichte vorausgegangen, Pell habe dem sexuell missbrauchten Neffen eines später verurteilten pädophilen Priesters Geld angeboten, damit dieser seine Anschuldigungen fallen lässt. Pell hatte dieser Darstellung vehement widersprochen.

Der Vatikan hatte Kardinal Pell gegenüber Saunders in Schutz genommen und dessen Forderungen zurückgewiesen. Weniger Schutz erfuhr Saunders. Nachdem der Brite 2014 als eines von nur zwei Missbrauchsopfern in die insgesamt 17-köpfige päpstliche Kinderschutzkommission berufen worden war, kritisierte er mehrfach öffentlich den Umgang der katholischen Kirche mit Missbrauchsfällen. Im Februar 2016 wurde ihm deshalb nahegelegt, hinsichtlich seiner Tätigkeit in der päpstlichen Kinderschutzkommission eine Auszeit zu nehmen.