Deutsche Zoos verstoßen fortlaufend gegen das Tierschutzgesetz

TRAIN. (hpd) Ein halbes Jahr, nachdem über eine Anfrage der Partei DIE LINKE an die Bundesregierung festgehalten worden war, dass "gemäß § 6 des Tierschutzgesetzes das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen (…) eines Wirbeltieres verboten" sei, sprich: das "Flugunfähigmachen von Vögeln (…) gegen das Tierschutzgesetz" verstoße, regt sich was in Kreisen der deutschen Zoobetreiber. Der Vorsitzende des Zoodirektorenverbandes (VdZ) und Direktor des Kölner Zoos, Theo Pagel, kündigt nunmehr eine auf zwei Jahre angelegte "wissenschaftliche Untersuchung" an, über die festgestellt werden soll, ob das Flugunfähigmachen von Vögeln (über Amputation oder regelmäßige Beschneidung von Flügelteilen) den Tieren Stress verursacht oder nicht. Als Indikator ist laut Pagel der Level des Hormons Cortisol im Blut vorgesehen.

Daraus ergeben sich drei Fragen:

1. Wie kommt Pagel darauf, dass gemessene Cortisolwerte irgendeine Aussage erlauben über den (chronischen) Stress, den ein gefangen gehaltenes Tier empfindet? Oder gar das Leiden, das ein Eingriff in seine körperliche Integrität und damit in die Möglichkeit bedeutet, artgerechtes Verhalten auszuleben; bei flugfähigen Vögeln die Fähigkeit zu Fliegen?

2. Wenn es in deutschen Zoos seit je üblich ist, außerhalb von Käfigen oder Volieren gehaltene flugfähige Vögel (Flamingos, Pelikane, Wildgänse etc.) am Davonfliegen zu hindern dadurch, dass man Teile ihrer Flügel amputiert oder regelmäßig beschneidet: weshalb hat man die Auswirkung dieser Eingriffe für die betroffenen Tiere bislang nie untersucht? Und mit welchem Recht maßen die Zoos sich insofern an, zu behaupten, den flügelamputierten bzw. -beschnittenen Tieren gehe es gut und sie fühlten sich im Zoo wohl? (Das gleiche gilt für in Käfigen oder Volieren gehaltene Vögel - Geier, Adler, Kondore etc. - , deren Käfige zu klein sind, als dass sie darin herumfliegen könnten; auch ihnen werden Flügelteile amputiert bzw. beschnitten.)

3. Wie ist es möglich, dass in deutschen Zoos seit Jahrzehnten mit der Amputation bzw. Beschneidung von Flügeln flugfähiger Vögel gegen geltendes Tierschutzrecht verstoßen wird und niemand schreitet dagegen ein?

Der Versuch der Zoos, über die angekündigte Untersuchung Zeit zu gewinnen und ggf. einen Gutachter, der über die Bestimmung von Cortisolwerten bestätigt, dass die Tiere weder durch Amputation noch durch Beschneidung von Flügelteilen irgendwelchem Stress ausgesetzt sind, ist zurückzuweisen. Vielmehr ist dafür zu sorgen, dass die derzeit geltenden gesetzlichen Bestimmungen des Tierschutzrechtes eingehalten werden. Nach §2 (2) TierSchG darf, wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, "die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden." Es kann prima facie davon ausgegangen werden, dass die Flugunfähigmachung eines flugfähigen Vogels diesem Leid zufügt dadurch, dass sie ihn in seinen artgerechten Bewegungsmöglichkeiten (=Fliegen) einschränkt. Eine Untersuchung, die ggf. anderes belegen würde, wurde seitens der Zoos offenbar nie durchgeführt. Nach §6 (2) TierSchG ist das "vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen (…) eines Wirbeltieres" ausdrücklich verboten, es sei denn, es wäre veterinärmedizinisch indiziert. Die Verhinderung des Davonfliegens stellt aber keine derartige Indikation dar.

Die derzeit in deutschen Zoos und Vogelparks übliche Haltung von flügelamputierten bzw. flügelbeschnittenen Flamingos, Pelikanen, Wildgänsen etc. ist nicht rechtmäßig und müsste eigentlich von Amts wegen unterbunden werden. Die Zoos und die zuständigen Veterinärämter dürfen sich wohl auf eine Welle an Klagen gefasst machen.