Geschichte der geheimen "Stay-Behind-Organisationen"

Die Partisanen der NATO

BONN. (hpd) Die beiden Autoren Erich Schmidt-Eeenboom und Ulrich Stoll legen in ihrem Buch "Die Partisanen der NATO. Stay-Behind-Organisationen in Deutschland 1946–1991" eine Darstellung zu den geheimen paramilitärischen Gruppen auf Basis von Archivquellen vor. Damit bereichern sie das gesicherte Wissen um diesen auch um Konspirationsvorstellungen kreisenden Komplex, bleiben aber mehr eine Darstellung von Details ohne politische Gesamtanalyse verhaftet.

Anfang der 1990er Jahre wurde die Existenz von "Gladio"- und "Stay-Behind"-Organisationen bekannt. Dabei handelte es sich um bereits seit Beginn der 1950er Jahre bestehende paramilitärische Einheiten, die im Falle einer sowjetischen Invasion hinter den dann feindlichen Linien operieren sollten. Während eine derartige Absicht durchaus legitim und nachvollziehbar war, gingen mit der Existenz derartiger Strukturen aber gravierende Problem einher: Es gab offenbar enge Kontakte in den gewaltgeneigten Rechtsextremismus, einige Aktivisten gehörten zuvor aus politischer Überzeugung der SS und der Wehrmacht an, und durch das Agieren "im Dunkeln" entzog man sich der politischen Kontrolle.

Während nach der Aufdeckung der "Schattenarmeen" einerseits dubiose Konspirationsvorstellungen aufkamen, schwiegen staatliche Stellen andererseits dazu. Trotz einer klaren Forderung des Europäischen Parlaments an die Mitgliedsstaaten, erfolgte zumindest in Deutschland, aber nicht nur dort dazu keine wirkliche Aufklärung über die Ereignisse.

Diese wollen Erich Schmidt-Eenboom, Leiter des privaten "Forschungsinstituts für Friedenspolitik", und Ulrich Stoll, Journalist für verschiedene TV-Magazine, leisten. Ihr Buch "Die Partisanen der NATO. Stay-Behind-Organisationen in Deutschland 1946–1991" basiert auf Akten des US-Nationalarchivs und des Bundesnachrichtendienstes, aber auch auf Nachlässen und Zeitzeugengesprächen. Herausgekommen ist dabei eine historische Rekonstruktion der Ereignisse, die bereits nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu Beginn des Kalten Krieges einsetzt.

Die erste größere Aufmerksamkeit erhält dabei der "Bund Deutscher Jugend" und sein "Technischer Dienst". Hinter den so harmlosen Bezeichnungen verbarg sich aber eine antikommunistische und rechtsextremistische Bestrebung, die teilweise paramilitärisch operierte und 1953 als verfassungswidrig verboten wurde. Deren Gründung ging indessen nicht auf Institutionen des noch jungen bundesdeutschen Staates, sondern auf Initiativen des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA zurück.

Die Autoren widmen sich dann aber auch der Fortsetzung in Gestalt von "Stay-Behind-Organisationen", wobei von Anfang an die "Organisation Gehlen" bzw. der "Bundesnachrichtendienst" beteiligt waren. Schmidt-Eenboom und Stoll betonen hierbei, dass deren Leiter Reinhard Gehlen "dem Direktor des CIA ein Bündnis an Regierung und Parlament in Bonn vorbei" (S. 150) vorschlug. Die CDU-CSU-Politiker hätten zu allem aufgrund von politischen Übereinstimmungen geschwiegen, die SPD-Politiker sich den seinerzeitigen politischen Machtverhältnissen gebeugt. Nach ausführlichen Darstellungen zu den "Stay-Behind-Organisationen des BND" (S. 141, 157) zwischen 1956 und 1990 gehen die Autoren auf den bis heute noch nicht überzeugend aufgeklärten Oktoberfest-Anschlag von 1980 ein. Dabei sprechen sie offene Fragen und inhaltliche Ungereimtheiten an, meinen aber auch: "… es gibt bis heute keine belastbaren Belege für eine Verbindung zwischen der Stay-Behind-Organisation und den Attentätern von München" (S. 203).

Schmidt-Eenboom und Stoll haben den exklusiven Zugang zu Akten genutzt, um viele wichtige Informationen zu den geheimnisvoll wirkenden Organisationen zusammenzutragen. Beide sind studierte Historiker und so liest sich ihr Buch auch wie aus einer solchen Perspektive. Sie lassen in der Darstellung sozusagen die Archive "sprechen". Damit geht aber auch das Problem einher, dass es an Analysen und Einschätzungen mangelt. Lediglich bei den Ausführungen zum Oktoberfest-Anschlag und den Rechtsextremisten im Umfeld gibt es von ihnen spekulative Erörterungen, die aber in der erwähnten Einschätzung hinsichtlich des Fehlens von tragfähigen Belegen münden. Dass die Existenz derartiger Strukturen gegen Grundprinzipien eines demokratischen Verfassungsstaates verstößt, wird zwar kurz erwähnt, aber nicht wirklich problematisiert. Im Detail verwundert, dass sich die Autoren mit Franz Uhle-Wettler (vgl. S. 245–247) auf einen ehemaligen Bundeswehr-Generalleutnant stützten, welcher sich nach seiner Dienstzeit im rechtsextremistischen Kontext bewegte.

Erich Schmidt-Eenboom/Ulrich Stoll, Die Partisanen der NATO. Stay-Behind-Organisationen in Deutschland 1946–1991, Berlin 2015 (Ch. Links-Verlag), ISBN: 978–3–86153–840–0, 304 S., 22,00 Euro