Österreich

Zwischen Überforderung und Eskalation

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Fotos: © Christoph Baumgarten

WIEN. (hpd) Eskalation, Randale, Übergriffe: Diese Worte dominieren die Berichterstattung über die Demos gegen den Ball der Burschenschaften in der Wiener Hofburg, den offiziell die FPÖ organisiert. Ein verzerrtes Bild. Der Großteil der Demos blieb gewaltfrei. Für die punktuellen Eskalationen ist die Polizei zumindest mitverantwortlich. Eine Reportage von hpd-Korrespondent Christoph Baumgarten.

 

Ein Studentin schreibt sich die Nummer der Demo-Rechtshilfe mit einem Filzstift auf den Unterarm. Ein Sprecher hat sie kurz davor den gut 6.000 Demonstrantinnen und Demonstranten auf dem Platz vor der Hauptuni durchgegeben. Die Teilnehmer sind im Schnitt jünger als in den vergangenen Jahren.

Die großflächige und höchstwahrscheinlich illegale Vermummungsverordnung, die die Polizei zwei Tage davor erlassen hat, dürfte viele abgeschreckt haben. Sie verbietet es, in neun Wiener Gemeindebezirken Schals zu tragen.

Junge Familien, sonst häufig auf Demonstrationen gegen Rechtsradikalismus zu sehen, fehlen heute fast völlig. Auch die Senioren sind rarer geworden.

"Das ist psychologisch nicht gut", sagt eine Demonstrantin, die auf mehreren Protesten gegen den so genannten WKR-Ball war. "Genau diese Gruppen sorgen normalerweise dafür, dass die Stimmung ruhig bleibt." Sollte das Vermummungsverbot eine Deeskalationsstrategie gewesen sein, sei sie gründlich daneben gegangen. Wiewohl kaum jemand auf der Demo glaubt, dass das Ziel der Maßnahme war. "Sie wollen so die Stimmung hochschaukeln", mutmaßt ein Teilnehmer. Berichte, dass die Verordnung an diesem Abend jemals exekutiert worden wäre, gibt es nicht.

Das internationale Interesse ist groß. Eine Redakteurin eines spanischen TV-Senders macht sich bereit für ihren Aufsager. Ein israelisches Fernsehteam schwirrt durch die Reihen der Demonstranten. Auch das ZDF hat man schon gesehen.

Die Polizei lotst die Demo durch die Wiener Innenstadt. Über ein Stück des Rings geht es durch die engen Gassen des ersten Bezirks Richtung Stephansplatz. Der Heldenplatz vor der Hofburg ist für Proteste heute gesperrt. Eine Demo von Holocaust-Überlebenden gegen den Ball der Burschenschafter wurde abgesagt. Große Teile des Bezirks sind abgesperrt. Das sorgt für Unmut. "Auf den Protestaktionen am Heldenplatz ist in den vergangenen Jahren nie was passiert. Gerade das abzusagen ist das Schwachsinn", sagt ein Demonstrant. "Überhaupt ist der Heldenplatz für die Polizei auch einfacher zu kontrollieren als die engen Gassen der Innenstadt. Die Leute da hinein zu leiten, beschwört doch kleine Eskalationen nach der Kundgebung gerade zu hinauf."

Die Prognose soll sich als richtig erweisen. Kleinere Gruppen von Demonstranten liefern sich nach der offiziellen Kundgebung ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei. Darunter mischen sich immer wieder Kleingruppen Gewaltbereiter wie vom Schwarzen Block. Auch eine Gruppe Nazis soll unterwegs sein und für Ärger sorgen. Am Ende des Abends wird es zwei Dutzend Verletzte geben. Demonstranten wie Polizisten.