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Eine schrecklich humanistische Familie

STALDENRIED/CH (hpd) In der BBC-Comedy-Serie “Outnumbered” geht es um Familie, die grossen und kleinen Fragen und Werte, das Leben und den ganzen Rest. Sie stellt den ganz normalen Wahnsinn und die wahnsinnige Normalität eines bunten Haufens interessanter Figuren dar, welche unter einem Dach wohnen. Wir lernen viel über Feen und Ehen, über Gott, Satan, Einhörner und über die Tücken des Erwachsenwerdens sowie des Kinderhütens. Und das alles macht sehr viel Spass.

Seit 2007 liefen bis danhin über 30 der halbstündigen Folgen. Dargestellt wird das Familienleben einer vielleicht irgendwie durchschnittlichen Mittelklassefamilie in Großbritannien. Die Eltern sind numerisch tatsächlich “in der Unterzahl”. Der Mutter Sue (gespielt von Claire Skinner) und ihrem Gatten Peter “Pete” Brockman (Hugh Dennis) stehen die Kinder Jake (Tyger Drew-Honey, der Älteste), Ben (Daniel Roche, der Wildeste) und Karen (Ramona Marquez, die Philosophischste) gegenüber.

Eine schrecklich humanistische Familie
Eine schrecklich humanistische Familie

Das Familienleben der Brockmans ist alles andere als eintönig. Anders als in vielen aktuellen TV-Serien wird hier keine arg dysfunktionale Familie mit getrennt lebenden Eltern und zerrütteten Kinderpsychen dargestellt, sondern eine einigermaßen harmonische britische Mittelklassefamilie. Die Eltern geben sich Mühe, sie haben aber auch viel Mühe. Der Vater Pete lässt immer wieder durchscheinen, dass sein Lehrerjob an einer Schule mit vielen Schülerinnen und Schülern aus Familien ohne allzu viel Bildungshintergrund nicht das Gelbe vom Ei ist. Er bringt seinen Sarkasmus oft in die Gespräche mit seinen Kindern ein. Die Mutter versucht, dem älteren Sohn Jake etwas beim Navigieren durch sein Leben und Lieben behilflich zu sein. Und Ben ist ein Wirbelwind, der Dinge ungefiltert ausspricht und immer wieder sehr interessante Experimente mit der Innenausstattung des Hauses anstellt. Interessante Nebenfiguren wie die esoterisch verstrahlte Tante Angela (Samantha Bond), der alternde Grossvater, die schrullige Jane usw. ergänzen das farbenfrohe Kabinett facettenreicher Figuren.

Karen, die jüngste der Bande, ist meine Lieblingsfigur. Ihr Blick auf die Welt ist im besten Sinne fragend und kindlich. Sie ist sehr schlau, stellt teilweise richtig verzwickte Fragen an die Eltern und an die Älteren. Wenn sie beispielsweise die Wartezeit am Flughafen dazu nutzt, Pete ihren Plan zu erklären, wie man alle bösen Menschen eliminieren könnte oder es ihr fünf Minuten vor Beginn einer Hochzeit gelingt, bei der Braut ärgste Zweifel an der Richtigkeit der bevorstehenden Schritte an den Traualtar zu säen, dann ist das einfach nur goldig anzuschauen. Und es vermag mir auch beim wiederholten Ansehen ein Grinsen ins Gesicht zu zaubern.

Sie will es wissen. Sie will ganz viel wissen. Und auch wenn sie etwas schon weiss – und sie weiss bereits viel! –, dann will sie von anderen wissen, ob sie auch korrekt und gleich darüber denken wie sie. Sie bringt andere mit ihrer Inquisition oft in die Zwickmühle. Und wenn Erwachsene sich dann entscheiden, ihr gegenüber ein schwaches oder abgefedertes, ein “kindgerechtes” Argument vorzubringen, bestraft sie das umgehend mit argumentativem Geschick. Sie kann dann auch schon mal einen herablassenden, verheerenden Seufzer ausstossen und von oben herab resigniert auf das zerstört am Boden liegende Argument hinunterschauen. Ich wünsche mir, dass Karen Brockman gross wird, nicht unbedingt erwachsen, aber gross. Und dann soll sie Premierministerin von Grossbritannien und Nordirland werden. Oder so etwas Ähnliches.

Beispielbild
Karen (links, Ramona Marquez) ist eine kleine grosse Philosophin, Ben (Daniel Roche) ist genauso so wirbelwindig wie seine Haare

Oft genug widerspiegelt sich in ihrem Verhalten oder in ihren Spielen auch, was sie bei anderen und insbesondere auch im Fernsehen wahrgenommen hat. In einer Folge beispielsweise begräbt sie im Garten eine Maus, welche in einer Falle im Haus ums Leben gekommen ist. Sie spricht als Abschiedsworte einer herzigen Zeremonie: “Asche zu Asche, in guten wie in schlechten Tagen, möge die Macht mit dir sein. Weil du es dir wert bist. Amen und aus.” Für sie stehen religiöses Verhalten, Star Wars und die Werbesprüche eines Kosmetikherstellers halt in etwa auf derselben Stufe.

Peter und Sue sind nicht religiös. Religion kommt dennoch in den Gesprächen immer wieder mal vor. Karen beispielsweise hatte – beeinflusst von einer Lehrerin – eine kurze Phase als Christin. Diese ging dann aber rasch vorbei und sie wurde daraufhin eine Satanistin, beziehungsweise eine Atheistin. Die Eltern werten die Religion allgemein und die Religiosität anderer in keiner Art und Weise ab. Sie müssen sich aber – wie in Grossbritannien leider weit verbreitet – überlegen, Gläubigkeit strategisch zu heucheln, wenn sie ihre Kinder in diese oder jene Schule bekommen wollen. Es gibt einige interessante Gespräche über islamische Terroristen, die Frage, ob der Teufel böse Menschen in der Hölle nun bestraft oder belohnt, ob Feen mit einem Maschinengewehr getötet werden können, was Jesus mit einem ihn attackierenden Eisbären machen würde und so weiter…

Die gebotenen schauspielerischen Leistungen sind durchwegs grossartig, jene der Erwachsenen, aber insbesondere jene der mitwirkenden Kinder und Jugendlichen. Man erhält tatsächlich den Eindruck, dass hier einfach eine Kamera beim täglichen Familienchaos mitlief und dann die besten und unterhaltsamsten Stückchen zusammengeschnitten wurden. Diese wunderbar gelungene Serie zu sehen kann ich allen bedenkenlos ans Herz – und ans Hirn! – legen.

 

 

 


Outnumbered (GB 2007–2014). Idee und Regie: Andy Hamilton, Guy Jenkins, Darsteller u.a. Hugh Dennis, Claire Skinner, Tyger Drew-Honey, Daniel Roche, Ramona Marquez, Samantha Bond. BBC, Hat Trick Productions