Die Sendung "Fenster zum Sonntag" des SRF ist eine fragwürdige Missionsaktion

Das Schweizer Fernsehen und christliche Eiferer

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Der christliche Glaube treibt in der freikirchlichen Ausprägung seltsame Blüten. Gläubige instrumentalisieren Gott für alle möglichen und unmöglichen Zwecke. Er muss Hoffnungen wecken, Sehnsüchte befriedigen, für eine emotionale Bindung sorgen, Trost spenden und seinen Schäfchen in allen Lebenslagen zu Hilfe eilen, vor allem in gefährlichen. Als Vehikel für die Verbreitung eines solchen Glaubensverständnisses gibt sich das Schweizer Fernsehen hin.

Samstag für Samstag strahlt es seit vielen Jahren die Sendung "Fenster zum Sonntag" aus, die ein kindliches Gottesbild transportiert. So auch am vergangenen Samstag.

Moderator Ruedi Josuran, selbst ein frommer Christ, porträtierte Caroline und André Gafner. Das Ehepaar taumelte von Schicksalsschlag zu Schicksalsschlag. Caroline erzählte, dass sie als fünfjähriges Mädchen von einem Nierenkrebs befallen wurde, weshalb das Organ entfernt werden musste. Der Eingriff habe ihr Leben beeinträchtigt.

Der nächste Schicksalsschlag holte sie als 18-Jährige ein. Nach einem Überholmanöver baute sie einen Unfall, bei dem ihr 12-jähriger Bruder starb. Sie habe noch im Spital für ihren toten Bruder gebetet und mit Gott gehadert, erzählte sie. "Es kann doch nicht sein, dass du meinen 12-jährigen Bruder aus dem Leben reißt und ich damit weiterleben muss", schalt sie Gott.

Hier entlarvte sich der dogmatische Glaube ein erstes Mal. Später schloss sie dann Frieden mit dem traumatisierenden Ereignis: "Ich wusste, dass mein Bruder zuhause beim Vater im Himmel ist." Ihr Glaube und die "lebendige Beziehung zu Gott" hätten ihr geholfen, "den Unfall zu überstehen".

Nach Eileiterentzündung brach in ihr eine Welt zusammen

Dann der nächste Schlag: Nach einer Eileiterentzündung habe die Gebärmutter wie eine verbrannte Erbse ausgesehen, sagte Caroline Gafner. In ihr sei eine Welt zusammengebrochen, weil sie wusste, dass sie keine Kinder bekommen könne. Man fragte sich als Zuschauer: Weshalb quälte Gott seine Verehrerin schon wieder? Damit er ein weiteres Wunder demonstrieren konnte?

Man ahnt es: Gott richtete es auch diesmal. Das ging so: "In einem Gottesdienst wurde für kinderlose Ehepaare gebetet. Mein Herz begann wie verrückt zu schlagen", sagte Caroline Gafner. Das Ehepaar ging schnurstracks heim und verkroch sich unter der Bettdecke.

Und siehe da, Gott bewirkte das nächste Wunder. Nach neun Monaten brachte Caroline Gafner eine Tochter zur Welt. Ihr Kommentar in der Sendung: "Gott hat mir eine neue Gebärmutter geschenkt."

Man fragt sich: Wie hat er das angestellt? Mit einem Zauberstab? Oder einer spirituellen Operation?

Dann holte Ruedi Josuran ihren Mann André an den Tisch. Auch er schwebte mehrfach zwischen Tod und Leben. Der Magenbeipass, den er wegen seines Übergewichts einsetzen ließ, war ein erstes einschneidendes Erlebnis.

Dramatisch wurde es aber ein halbes Jahr später. Er litt tagelang an unerträglichen Bauchschmerzen. Als er es nicht mehr aushielt, begab er sich ins Spital. Diagnose: ein vor sechs Tagen geplatzter Blinddarm. Der ganze Thorax war massiv entzündet, sein Leben hing an einem seidenen Faden. In einer nächtlichen Notoperation retteten ihn die Ärzte.

Die fromme Frau klagte zu Gott: "Du kannst mir nicht den Mann nehmen"

Nach anfänglicher Besserung verschlechterte sich sein Zustand wieder, nach zehn Tagen war eine zweite Operation nötig. Als dann noch ein "Schlitz im Darm" auftrat, sei eine weitere Operation nicht mehr möglich gewesen, erzählte André Gafner.

Seine Frau war verzweifelt: "Ich ging aufs Feld und betete." Sie schrie aber auch Gott an: "Du kannst mir doch nicht meinen Mann nehmen", klagte sie. Über ihrem Haus bildete sich danach ein Regenbogen und ein Kauz schaute sie an.

Diese Erscheinungen interpretierte sie als Signal Gottes, dass er ihren Mann retten werde. Was dann auch auf wundersame Weise geschehen sei.

Wer hat den Patienten gerettet? Gott oder die Ärzte?

Auch hier drängen sich Fragen auf, die sich Gläubige offenbar nicht stellen: Wer hat das Leben von André Gafner nach dem geplatzten Blinddarm gerettet? Die Antwort ist aus nüchterner Warte und logischer Konsequenz offensichtlich.

Die Gafners (und Ruedi Josuran) müssten sich auch fragen, weshalb Gott André nicht früher die Eingebung vermittelt hatte, dass er seit Tagen in Lebensgefahr schwebte. Oder: Warum hat Gott ihn so lang leiden lassen, wenn er ihn schließlich doch mit einer "Wunderheilung" rettete?

Danach ist in der Sendung wieder Caroline Gafner an der Reihe. Sie berichtete, ihre Wirbelsäule habe bei der Nierenoperation Schaden genommen und sich verkrümmt. Sie musste im Erwachsenenalter mit zwei Operationen versteift werden.

Kurz darauf erlitt sie eine doppelte Lungenembolie und schwebte zwischen Leben und Tod. Dank einer Notoperation überlebte sie die gefährliche Situation. Für Caroline Gafner ist klar, dass Gott seine schützende Hand über sie gelegt hatte.

"Gott ist treu und greift immer wieder ein"

Zum Schluss fragte Ruedi Josuran sie, ob ihr all die Schicksalsschläge irgendwann nicht zu viel geworden seien? Ihre wenig überraschende Antwort: "Für mich ist es essenziell, dass Gott so treu ist und immer wieder eingreift."

Fazit: Jede und jeder darf glauben, was er will und sein Gottesbild den eigenen Ängsten, Wünschen, Hoffnungen und Sehnsüchten anpassen. Dass aber das Schweizer Fernsehen freikirchlichen Institutionen eine wöchentliche Plattform bietet, ist mehr als bedenklich. Denn das "Fenster zum Sonntag" ist eine reine Missionsaktion christlicher Eiferer.

Die Sendung sollte aus dem Programm gekippt werden. Oder die Freidenker müssten als Ausgleich gleich viel Sendezeit bekommen.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.

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