„Vergnügungs- und Musikverbot"

MÜNCHEN. (hpd) Eine Betroffene hat einen Kommentar zur aktuellen Feier-Lage in ihrer oberbayerischen Heimat geschrieben. „Wo man singt... und gar noch tanzt, da lass Dich ruhig nieder?" Aktuell vielleicht besser nicht, zumindest nicht in Bayern?

Von Assunta Tammelleo

 

Singen und tanzen können sollte man doch an einem schulfreien, arbeitsfreien „Feiertag", an dem alle anderen ja auch frei haben, man also schon jemanden zum Mitsingen und Mittanzen hat...? „(...) Ein Feiertag ist ein im Jahreskalender besonders herausgehobener Tag. Dabei ist Feier im Sinn von "Feierlichkeit" (würdevoll begangene Zeremonie) zu verstehen. Anders als im heutigen Sprachgebrauch üblich sind hier Feier und Fest nicht synonym zu verwenden. Ein Feiertag kann sowohl ein freudiger Festtag als auch ein mit Würde begangener Gedenktag sein. (...)" (Wikipedia).

Vermutlich geradezu vorsorglich, weil nämlich nicht allen Bürgern eines Staates immer ganz klar ist, was mit „Feier" gemeint sein könnte, sind aus dem Kalender herausgehobene Tage durch die „Rechtsordnungen der einzelnen Staaten besonders geschützt". Solche also staatlich verordneten Feiertage sind in Bayern als anerkanntem geografischem Bestandteil des Abendlandes Tage mit christlichem Hintergrund (die meisten), mit politischen Hintergrund (z.B. Nationalfeiertag, kann, gerade in Deutschland, auch kurzfristig mal wechseln) und über Deutschland hinausreichend auf allgemeiner Anerkennung beruhende wie z.B. Neujahr.

Hierzulande hat sich in jüngerer Vergangenheit - über Bayern ins restliche deutsche Abendland hinausreichend - aufgrund (damals) geltender Rechtsordnung noch die Möglichkeit der Feier-Anordnung zum „Führergeburtstag" (Wikipedia) ergeben, wovon die nachfolgende Rechtsordnung allerdings Abstand genommen hat. Nachdem in Bezug auf den Feier-Charakter also von einer gewissen Rechtsunsicherheit ausgegangen werden muss, z.B. in Bezug auf die Bedeutung von „Würde" in Zusammenhang mit „Feier", ist für solche „Feiertage" sicherheitshalber teilweise ein „Vergnügungs- und Musikspielverbot" (Schreiben 01.08.2008/Kreisverwaltungsreferat München ff.) für alle Bewohner des durch die geltende Rechtsordnung „feierlich" besonders geschützten Territoriums erlassen worden. Und falls sich - wider alle besonderen Schutzmaßnahmen im Rahmen der geltenden Rechtsordnung - doch jemand sichtbar vergnügt, so kann das zuwider feiernde Individuum aufgrund erfolgreich vorsorglich „angeordneter besonderer Überwachungsmethoden" (Schriftverkehr Bayerisches Staatsministerium des Innern/ Verwaltungsstreitsache bfg München/Feststellungsklage) mit Verhaltenskorrigierenden Maßnahmen von nachdrücklicher Wirkung - z.B. Zahlung von 10.000,00 Euro Bußgeld - zur Einsicht begleitet werden.

Bayerisches Brauchtum?

Der dahin gegangen wordene vormalige bayerische Ministerpräsident Beckstein sah den Verfall der bayerisch-christlichen Tradition lange vor der dramatischen Veränderung der Mehrheitsverhältnisse „der unsernen Partei" (CSU) im Freistaat herannahen und wirkte bereits 2004 anordnend besonders überwachend auf die Auslegung der Rechtsordnung zum Schutz der Bürger vor ihren Feiertagen. „(...) Das war notwendig geworden, weil die Beibehaltung der bisherigen Anknüpfung des Schutzes der dort genannten vier stillen Tage (...) an das Sperrzeitenrecht nach der Liberalisierung zu vom Gesetzgeber so nicht gewünschten Ergebnissen geführt hätte.(...)." (ebd.). Und warum? Ganz einfach: „(...) Wäre die bisherige Verknüpfung des Feiertagsgesetzes mit dem Sperrzeitenrecht nicht aufgehoben worden, hätten z.B. an Allerheiligen bis 5.00 Uhr morgens Halloween-Partys gefeiert werden können, da erst dann der Schutz des stillen Tages begonnen hätte.(...)." (ebd.).

Alle diese über viele Seiten geduldigen Papiers sich ausführlich und untereinander vollkommen einig auslassenden Regierungsdirektoren, Ministerialräte und Oberlandesanwälte scheinen offensichtlich ununterbrochen - während ihrer Bürozeiten zumindest - von der nicht nachlassenden Sorge geplagt zu sein, es könne ein im Geltungsbereich der geltenden bayerischen Rechtsordnung rechtmäßig sich aufhaltendes menschliches Individuum trotz aller vorsorglich erlassenen Schutz- und Überwachungsbestimmungen an einem so genannten, aus dem Kalender herausgehobenen, arbeitsfreien Feiertag ... würdelos zu Tode feiern!

Getragen wird diese väterliche Sorge um alle Feiertage ganz generell vom Anliegen, jedwede Tradition um ihrer selbst willen zu bewahren. „(...) Im Übrigen ist festzuhalten, dass in Bayern an einem Tag wie Allerheiligen der Schutz des stillen Gedenkens an die Verstorbenen Vorrang vor Jux und Tollerei an Halloween hat. Von einer langjährigen Halloween-Tradition, der eine ähnliche Bedeutung beigemessen werden könnte wie Silvester oder Karneval, kann nicht ernsthaft ausgegangen werden. (...)." (Schreiben Regierung von Oberbayern/Verwaltungsstreitsache bfg München/Feststellungsklage).

Die Anbetung der Asche?

Die so genannte Tradition - unabhängig für welche Werte - scheint also in Bayern vor allen Dingen bedeutend zu sein aufgrund ihrer „Langjährigkeit" und nicht abhängig von besonderer ethischer Wertigkeit. Wenn „Langjährigkeit" das wesentliche Kriterium ist, dann sind dringend weitere, besonders bedeutende, in „Würde" und unter dem Schutz der entsprechend bis dahin anzupassenden „geltenden Rechtsordnung" zu begehende „Feiertage" einzuführen. Zum Beispiel ein Gedenktag zur Einführung der Sklaverei, die - was ihre „Langjährigkeit" anbelangt - den zitierten „Karneval" bei weitem überholt haben dürfte. Vielleicht auch ein Gedenktag für die „Todesstrafe", die in Bezug auf ihre „Langjährigkeit" in vielen jeweils geltenden Rechtsordnungen auf den vordersten Plätzen anzutreffen ist. Der langjährig als legitimiert geltenden Nicht-Gleichstellung der Frau könnte in würdevoller Zeremonie genauso herausgehoben gedacht werden wie dem Züchtigungsrecht bei den eigenen Kindern. Usw.usw.usw..., die „Feiertage" nähmen ja gar kein Ende mehr.

Zum Glück hat es sich gerade in Bayern vor kurzem gezeigt, dass grenzenloses Vertrauen in „langjährige", so genannt zur Tradition und fast ewig währenden Wahrheit gewordenen Zustände nicht mehr uneingeschränkt berechtigt ist. Die sich in Besitz ewiger Werte wähnende CSU hat aufgrund des letzten Wahlergebnisses eine bislang nicht gekannte Erweiterung ihres Bewusstseins erfahren müssen. Das macht allen demokratischen Freigeistern in Bayern trotz ihres im allgemeinen eher gemäßigten Optimismus' Mut, die mit der Feststellungsklage des bfg München wegen Partyverbotes Karfreitag 2007 und aktuell mit dem zahlreichen Aktionen bayerischer Wirte, Kulturtreibender und ihrer Gäste um Halloween organisierten Widerstand weiter gegen das Bayerische Feiertagsgesetz vorzugehen. Und auch durchaus Erfolg zu haben!! Als Trost für die ewig Gestrigen: wenn die Demokratisierung des Bayerischen Feiertagsgesetzes - als im übrigen eines von vielen Zielen - durchgesetzt ist, werden wir trotz der bis dahin geänderten Mehrheitsverhältnisse die christliche Minderheit nicht zwingen, die ganzen herausgehobenen Feiertage lang - welche da immer sein mögen - Rock'n Roll zu tanzen!