Die Wähler der extremen Rechten in Westeuropa

(hpd) Wer wählt warum rechtsextremistische Parteien? Über diese Frage wird nach entsprechenden elektoralen Erfolgen regelmäßig diskutiert - meist mehr emotional und politisch, denn rational und wissenschaftlich ausgerichtet. Forschungen zu diesem Themenkomplex gibt es mittlerweile eine ganze Reihe, in der Regel konzentrieren sie sich aber nur auf eine oder mehrere Wahlen in einem Land. An einer international vergleichende Analyse, die über einen längeren Zeitverlauf in unterschiedlichen Ländern die Wählerbasis rechtsextremistischer Parteien untersuchte, mangelte es bislang.

 

Eine solche Arbeit legt nun der Politikwissenschaftler Kai Arzheimer, der am Department of Government der University of Essex lehrt, unter dem schlichten Titel „Die Wähler der extremen Rechten 1980-2002" vor. Er will darin „eine (möglichst sparsame) Erklärung für die Wahl der extremen Rechten in Westeuropa" finden und insbesondere die Frage „klären, warum deren Unterstützung über die Zeit und über Systemgrenzen hinweg so stark schwankt" (S. 44).

Nach Ausführungen zum konkreten Forschungsproblem und methodischen Überlegungen geht der Autor auf die Ergebnisse der bisherigen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema ein. Aus den dort entwickelten Ansätzen, Erklärungen und Modellen entwickelt er eine Reihe von Hypothesen, die anschließend einer empirischen Überprüfung anhand umfangreichen Datenmaterials unterzogen werden. Dieses bezieht sich auf die Ergebnisse der Parteien der extremen Rechten bei den Wahlen zu den nationalen Parlamenten in Europa zwischen 1980 und 2002. Arzheimer spricht dabei allgemein von einer besonderen politischen „Parteienfamilie" und legt sich aus forschungsstrategischen Gründen nicht hinsichtlich ihrer demokratietheoretischen Einschätzung fest. Bei der Präsentation der empirischen Ergebnisse nimmt er zunächst eine Längsschnitt-Analyse für den erwähnten Zeitraum vor, widmet sich danach aber auch noch einmal gesondert den Ergebnissen in den Jahren 1997, 2000 und 2002/2003 im Sinne einer Querschnitts-Analyse.

Klares soziodemographisches Profil

Als Fazit hält der Autor fest, „dass die Wähler der extremen Rechten in Westeuropa zwischen 1980 und 2002 auch dann, wenn Einstellungsvariablen kontrolliert werden, ein klares soziodemographisches Profil aufweisen. Die entsprechenden Parteien werden vor allem von Männern, von jüngeren Bürgern und von den Angehörigen der Arbeiterschaft und der petty bourgeoisie gewählt. Höhere Bildungsabschlüsse hingegen reduzieren die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person die extreme Rechte unterstützt ganz erheblich". Und weiter: „Zweitens zeigt das Ergebnis, dass die Wahl der extremen Rechten in ganz erheblichem Umfang von ideologischen Faktoren gesteuert wird. Selbst dann, wenn man in Rechnung stellt, dass die Links-Rechts-Selbsteinstufung möglicherweise von der aktuellen Wahlabsicht beeinflusst wird, weil die Befragten konsistent erscheinen wollen, hat die ideologische Selbstverortung offensichtlich eine sehr starke Wirkung auf die Wahlabsicht zugunsten der extremen Rechten" (S. 287). Damit sei auch die These von der „reinen Protestwahl" widerlegt.

Arzheimers Studie beeindruckt durch den enormen Aufwand seiner wissenschaftlichen Arbeit, wobei der empirische Wahlforscher mit der Auswertung seines statistischen Materials den unterschiedlichsten analytischen Verästelungen nachgeht. In dieser Breite dürfte die Studie noch für Jahre einen hohen Maßstab für weitere Analysen zum Themenkomplex setzen. Gleichwohl drohen mit der gewählten Darstellungsform allerdings auch die wichtigen Erkenntnisse in der Fülle sozialwissenschaftlicher Reflexionen unterzugehen. Zwar sind die erwähnten Resultate von Arzheimers Forschungen nicht neu, sie belegen aber bisherige Annahmen auf einer bislang nicht vorhandenen breiten Datengrundlage. Hierin liegt das besondere Verdienst dieser Studie. Nicht alle von dem Autor selbst erhofften Antworten konnte er mit seiner Arbeit geben. Auch integriert Arzheimer seine Erkenntnisse nicht in eine Theorie zu den Ursachen rechtsextremistischer Wahlerfolge. Gleichwohl sollte die zukünftige Debatte und Forschung diese bedeutende und wegweisende Arbeit nicht ignorieren.

Armin Pfahl-Traughber

Kai Arzheimer, Die Wähler der extremen Rechten 1980-2002, Wiesbaden 2008 (VS - Verlag für Sozialwissenschaften), 501 S., 49,90 €