„Volksgemeinschaft statt Kapitalismus?“

(hpd) Die Beiträge des Sammelbandes untersuchen die sozialpolitische Agitation von Rechtsextremisten. Dabei arbeiten die Autoren den nationalistischen und völkischen Hintergrund des scheinbaren „Antikapitalismus“ in diesem politischen Lager auf, argumentierten dabei aber mitunter aus der Perspektive eines schematischen Marxismusverständnisses im traditionellen Sinne.

 

„Global dient dem Kapital – Sozial geht nur national“ und „Kapitalismus – Feind der Völker“ lauten zwei Parolen, die für eine Schwerpunktverlagerung der Themen rechtsextremistischer Agitation stehen: Nicht mehr die Erinnerung an den historischen Nationalsozialismus, sondern die Kritik an der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik prägt das öffentliche Erscheinungsbild. Dabei artikuliert sich mitunter ein scharfer „Antikapitalismus“, der mit der Ablehnung von „Globalisierung“ und „Neoliberalismus“ von linken Auffassungen nur bei genauem Hinsehen unterscheidbar ist. Die Absichten, Hintergründe und Inhalte der damit verbundenen Agitation wollen die Autoren des Sammelbandes „Volksgemeinschaft statt Kapitalismus? Zur sozialen Demagogie der Neonazis“ herausarbeiten. Unter der Herausgeberschaft des Politikwissenschaftlers Dominik Clemens und des Journalisten Richard Gebhardt finden sich darin acht Beiträge von Journalisten und Politikwissenschaftlern, die unterschiedliche Aspekte des Themas beleuchten wollen.

Kurt Heiler geht der Geschichte des politischen Kampfbegriffs „Linke Leute von rechts“ nach. Die Frage, inwieweit die NPD eine „neue“ Arbeiterpartei von rechts ist, erörtert Dominik Clemens. Regina Wamper untersucht den Globalisierungsdiskurs in dem NPD-Parteiorgan „Deutsche Stimme“. Die „Autonomen Nationalisten“ als moderne Form des Neonazismus werden von Michael Klarmann analysiert. Christina Kaindl sieht in der neoliberalen Mobilisierung des Individuums einen Resonanzraum für den „Antikapitalismus von rechts“. Gewerkschaftliche Gegenstrategien gegen die soziale Demagogie der extremen Rechten behandelt Sabine Hüther. Marcus Meier sieht in einer verkürzten Kapitalismuskritik diskursive Anschlusspotentiale für Antisemitismus und Rechtsextremismus. Und schließlich fragt Richard Gebhardt, inwieweit man überhaupt von einem „Antikapitalismus“ von rechts sprechen kann. Den Texten ist ein Geleitwort von Annelie Buntenbach als Mitglied im geschäftsführenden Bundesvorstand des DGB vorangestellt.

Bilanzierend heißt es: „Die Beiträge ... haben gezeigt, dass der ‚Antikapitalismus von rechts’ seine – unverhüllt antisemitisch vorgetragene – Kritik lediglich gegen die Zirkulationssphäre des Geldes, auf den Zins und das Spekulationskapital richtet. Sein Denken bewegt sich in den Grenzen der nationalsozialistischen Angriffe gegen das ‚raffende Kapital’. Seine Gegnerschaft richtet sich gegen das ausländische Kapitalfraktionen; ‚Volk’ und ‚Nation’ werden dabei zum Schutzwall gegen die ‚kosmopolitische Produktionsweise’ (Marx/Engels). Statt einer systematischen Analyse der kapitalistischen Produktionsweise bietet er bloße Personalisierungen (...) von Machtverhältnissen an. Konsequenz der vom Geiste des historischen Faschismus inspirierten Verklärung der Großkollektive ‚Volk’ und ‚Nation’ ist die Negierung des Individuums und der Menschenrechte. Die Sehnsucht nach ökonomischer Autarkie (...) wird begleitet von Forderungen nach einer repressiven Ausgrenzung von Migranten und sonstigen Minderheiten.“ (S. 183).

Wie die Argumentation und Wortwahl schon vermuten lässt, zieht sich durch viele Texte ein traditionelles Marxismusverständnis, das mitunter allzu einfach und stereotyp die „soziale Demagogie“ von Rechtsextremisten als eine Art ideologischen Betrug im Interesse des Kapitals deutet. Insbesondere in den Beiträgen von Gebhardt und Heiler findet man derartige Auffassungen. Ersterer bemerkt etwa: Die Frontstellung des „Antikapitalismus von rechts“ gegen den transnationalen Kapitalismus sei nutzbar „für den Expansionsdrang des nationalstaatlich formierten Kapitals“ (S. 176). Dem stehen aber auch differenzierte Analysen gegenüber. Meier betont - allerdings auch aus der Perspektive des sicheren Wissens über die richtige Kapitalismuskritik - die Anschlussfähigkeit verkürzter Kapitalismuskritik gegenüber dem Rechtsextremismus. Wamper macht etwa deutlich, dass die sozialpolitische Agitation der Rechtsextremisten kein Trick sei, denn: „Völkischer Antikapitalismus ist ... – historisch wie aktuell – zentral für extrem rechte Ideologiebildung“ (S. 67).

Armin Pfahl-Traughber

 

Richard Gebhardt/Dominik Clemens (Hrsg.), Volksgemeinschaft statt Kapitalismus? Zur sozialen Demagogie der Neonazis, Köln 2009 (PapyRossa-Verlag), 187 S., 12,90 €