Stadtrat von Phoenix schafft öffentliches Gebet ab

Keine satanischen Verse

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Gewöhnungsbedürftig aber wirksam: Mit Satan zur Säkularisierung
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BERLIN. (hpd) Seit Jahren versuchten amerikanische Freidenker, die Stadt Phoenix in Arizona davon abzubringen, ihre Ratssitzungen mit einem öffentlichen Gebet zu beginnen. Was die Freidenker nicht schafften, gelang nun Satanisten. Um ein satanisches Gebet vor der Ratssitzung zu verhindern, sprach sich der Stadtrat von Phoenix für die Abschaffung des öffentlichen Gebets aus.

Im Stadtrat von Phoenix, Hauptstadt des US-Bundesstaates Arizona, gehörte es seit jeher zur Tradition, vor Beginn einer Ratssitzung ein öffentliches Gebet sprechen zu lassen – vorgetragen von Mitgliedern diverser Glaubensgemeinschaften. Für säkulare Organisationen in Amerika eines von vielen Zeichen für die hinkende Trennung von Staat und Religion, die in den Vereinigten Staaten eigentlich in der Verfassung verankert ist, jedoch immer wieder umgangen wird. Seit Jahren bemühten sich säkulare Aktivisten daher, das Gebet vor den Ratssitzungen abzuschaffen. Jedoch ohne Erfolg.

Erstaunliche Bewegung in diese Angelegenheit kam nun Ende Januar 2016, als sich eine Religionsgemeinschaft namens Der Satanische Tempel um den Vortrag eines Gebets vor der Ratssitzung am 17. Februar bewarb. Ein Aufschrei des Entsetzens ging durch die christlichen Reihen von Phoenix: Ein öffentliches Satanisten-Gebet vor einer Stadtratssitzung – das wollte man unbedingt verhindern.

Die juristischen Berater der Stadt Phoenix machten den Stadtrat jedoch darauf aufmerksam, dass es unmöglich sei, dem Satanischen Tempel das Gebet zu verwehren, während man es anderen Religionsgemeinschaften erlaube. Da dies einen klaren Verstoß gegen den ersten Zusatzartikel der US-Verfassung darstellen würde, nach dem alle Religionen gleich zu behandeln sind, würde ein Verbot des satanistischen Gebetes spätestens vor Gericht kippen.

Die Frage nach dem Umgang mit dem Satanisten-Gebet führte in Phoenix zu hitzigen Debatten. Um dieses Gebet zu verhindern, votierte der Stadtrat am 3. Februar schließlich mit einer Mehrheit von fünf zu vier Stimmen zähneknirschend für die grundsätzliche Abschaffung des öffentlichen Gebetes vor den Ratssitzungen. Das öffentliche Gebet wird nun durch einen "Moment der Stille" ersetzt, in dem es jedem frei steht, zu einem Gott zu beten – oder eben auch nicht.

Andrew L. Seidel, juristischer Berater der US-amerikanischen Freidenker-Organisation Freedom from Religion Foundation (FFRF) begrüßte die Entscheidung des Stadtrats auf seiner Facebook-Seite: "Seit August 2012 habe ich daran gearbeitet, dass in Phoenix vor den Ratssitzungen keine Gebete mehr stattfinden. Und alles, was nötig war, war ein kleines Bisschen Satan. Statt ein Gebet des Satanischen Tempels anzuhören, stimmte der Rat lieber dafür, dem Beten grundsätzlich ein Ende zu setzen. Luciens Gesetz scheint tatsächlich zu funktionieren."

"Luciens Gesetz", benannt nach dem Mit-Gründer und Sprecher des Satanischen Tempels Lucien Greaves, besagt, dass Regierungseinrichtungen entweder (1) Glaubensdarstellungen im öffentlichen Raum unterbinden, sobald sich auch der Satanische Tempel daran beteiligen will, oder (2) dem Satanische Tempel die Beteiligung untersagen und so gegen geltendes Recht verstoßen. Ein Gesetz, dessen Gültigkeit von den Satanisten bereits mehrfach empirisch überprüft wurde.

Beispielsweise 2013, als in Orange County, Florida, eine christliche Organisation die Erlaubnis erhielt, an öffentlichen Schulen Bibeln zu verteilen. Damals reagierte der Satanische Tempel umgehend mit dem Verteilen eines satanischen Malbuchs für Kinder. Da man den Satanisten aufgrund der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Gleichbehandlung aller Religionen das Verteilen ihres Malbuchs nicht untersagen konnte, führte die Aktion in Orange County zu einer weitreichenden Diskussion, ob religiösen Gruppen das Verteilen ihrer Materialien in öffentlichen Schulen überhaupt gestattet werden solle.

Angesichts dieser und ähnlicher Aktionen der Satanisten gibt es Stimmen, die behaupten, der Satanische Tempel sei gar keine echte Religionsgemeinschaft, sondern eine Mischung aus Religionssatire und Atheisten-Vereinigung, deren Ziel es ist, religiöse Privilegien zu unterwandern, offenzulegen und abzuschaffen.

In Phoenix, Arizona, ist seinen Anhängern jedenfalls genau das gelungen.