Whistleblower zu Bewährungsstrafe verurteilt

Das Lux-Leaks-Urteil ist ein fatales Signal

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Der Whistleblower Antoine Deltour nach dem Urteil vor internationalen Kameras.
Antoine Deltour

BERLIN. (hpd) Die gestrige Verurteilung der beiden Whistleblower (Enthüller oder Aufklärer) im sogenannten "Lux-Leaks-Prozess" ist ein fatales Signal für unsere Gesellschaft. Damit könnten weitere potenzielle Whistleblower davon abgehalten werden, Informationen über kriminelle Machenschaften aufzudecken.

Doch das ist gerade die Aufgabe einer demokratischen Gesellschaft: Fehler aufzuzeigen und die wirklichen Verantwortlichen von Straftaten zu verurteilen. Das fatale Signal, das vom Urteil gegen den Whistleblower Antoine Deltour und seinen Kollegen Raphaël Halet ausgeht, bedeutet, dass Großkonzerne ungestraft Milliarden an Steuern sparen dürfen, wenn sie nur einen entsprechenden professionellen Wirtschaftsvertrag wie mit "Price Waterhouse Coopers" abschließen und einen Deal mit dem Staat finden, der ihnen beim Steuersparen hilft.

Nach den Lux-Leaks-Enthüllungen im Jahr 2014 war die Aufregung zuerst groß. Mit der Enthüllung wurden insgesamt 28.000 Seiten mit 548 verbindlichen Vorbescheiden (Advance Tax Rulings) der Luxemburger Steuerbehörde öffentlich gemacht, die sie über "Price Waterhouse Cooper" zwischen 2002 und 2010 abgeschlossen hatte. Diese vertraulichen Steuervereinbarungen boten 343 internationalen Konzernen aus 82 Ländern, darunter Apple, Amazon, Heinz, Pepsi, Ikea und Deutsche Bank, die Möglichkeit, auf Kosten der Nachbarländer "aggressive Steuervermeidungsmodelle" zu realisieren. Ihre Steuern ließen sich so auf unter 1 Prozent drücken.

Die Whistleblower, die diese Steuerhinterziehungen öffentlich gemacht haben, wurden vor Gericht gestellt und gestern verurteilt.

Die Politik versprach, gegen solche Steuerpraktiken vorzugehen. Für seine Zivilcourage wurde Antoine Deltour mit dem europäischen Bürgerschaftspreis ausgezeichnet. Doch jetzt hat das luxemburgische Gericht ihn und seinen Helfer Raphaël Halet wegen Diebstahls von Dokumenten, der Veröffentlichung von Handelsgeheimnissen und der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen zu 12 bzw. 9 Monaten Haft auf Bewährung sowie zusätzlicher Geldstrafe verurteilt. Der Journalist Edouard Perrin, der den Lux-Leaks-Skandal veröffentlichte, wurde freigesprochen. Die weiße Weste bekommt also wieder einmal der Journalist und nicht die Quelle, die die Enthüllung aufgedeckt hat.

Wer im Interesse der Allgemeinheit Illegales oder Illegitimes öffentlich macht, bereichert die demokratische Zivilgesellschaft. Den Whistleblowern müssen Wege eröffnet werden, Unrecht legal zu benennen. Doch eine mächtige Lobby von Regierungen und Großkonzernen versucht, Whistleblower zu isolieren und zu kriminalisieren, wie WikiLeaks-Gründer Julian Assange, der auf seiner Plattform diese Dokumente von Lux-Leaks ebenfalls veröffentlichte.

Dem Luxemburger Gericht muss man schon den Vorwurf machen, subjektive Aspekte nicht ausreichend berücksichtigt zu haben. Das Urteil beweist zudem, dass wir in der EU einen Schutz für Whistleblower brauchen. Im Deutschen Bundestag liegt bereits seit einigen Jahren dieser Antrag vor. Eine Abstimmung darüber ist aber nicht in Sicht, im Gegenteil.
Die EU hat mit der "Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen" für Whistleblower das Risiko eines Strafverfahrens deutlich erhöht. Diese Richtlinie wird, genauso wie das heutige Urteil, Whistleblower davon abhalten, Informationen und Fakten über kriminelle Machenschaften aufzudecken.

Antoine Deltour hat bereits angekündigt, das Urteil anzufechten.

Screenshot oben aus einem Tagesschau-Beitrag.