Wir können auch anders

KÖLN. (hpd) Der Julit, der säkular humanistische Literaturpreis für Lesben und Schwule, wurde zum fünften Mal in Köln verliehen. Insa Krinke, 17 Jahre, aus Köln gewann ihn mit “Jetzt sind wir komplett!”. In ihrer einfallsreichen, phantasievoll entwickelten Geschichte, die mit 500 Euro belohnt wird, unterzieht die Siegerin die Fabel vom Klapperstorch einem gesellschaftspolitischen “Update”.

Ein Übersetzungsgerät für “menschlich” muss her, denn nach leidenschaftlichen Argumentationen haben die Klapperstörche einen Entwicklungsprozess durchlaufen, an dessen Ende sie sich akzeptierender und humaner verhalten als die deutsche Politik im Jahr 2014, und dem gleichgeschlechtlichen Elternpaar ihr Baby bringen. Das überzeugte die Jury.

Insa Krinke
Insa Krinke

Autorin Insa Krinke hatte vorher ganz vorsichtig angefragt, ob sie als heterosexuelle junge Autorin denn am Julit-Preisausschreiben überhaupt teilnehmen dürfe? Die Jury war sich einig: Ja! Aber natürlich! Denn das zeichnet säkularen Humanismus aus: keine Diskriminierungen, auch nicht mit umgekehrten Vorzeichen.

Den Preis für den besten Autor 2014, ebenfalls mit 500 Euro dotiert, errang Thomas Bausch, 24 Jahre, aus Aachen, für seine prägnante Kurzgeschichte “Einer von uns beiden…wird sich trauen”. Eine Lebenslüge wird demaskiert. Die kirchliche Trauung – eine reine Farce. Für die Frau wird der Mann nur Mittel zum Zweck sein – und der Zweck ist das Kind. Sie entscheidet sich gegen den ursprünglichen Plan, als offen lesbische Frau mit ihrem schwulen Freund eine Regenbogenfamilie zu versuchen, und flieht zurück in die verlogene aber bequemere Variante. Der Ich-Erzähler entscheidet sich dagegen für den anstrengenderen, aufwändigeren, unangepaßteren aber ehrlichen Weg. Eine nachdenklich stimmende Momentaufnahme in sprachlich kunstvoll reduzierter, verdichteter Form.

Thomas Bausch
Thomas Bausch

Nach der großen Freude der Preisträger gab die Jury auch gleich das neue Motto für den Julit 2015 bekannt: “Arbeitsrecht und Christenpflicht – leb ich offen oder nicht?”. Ein sozialer Beruf und dann offen schwul oder lesbisch? Bei katholischen Trägern droht Nicht-Einstellung oder fristlose Kündigung. Aus dem Glauben austreten? Verlust des Arbeitsplatzes droht. Nie gläubig gewesen? Nur in die Kirche eintreten, um einen Arbeitsplatz zu bekommen? Also heucheln? Ein Glaubensbekenntnis lügen? Für die lesbische Ärztin oder den schwulen Ergotherapeuten sind das Existenzfragen.

Näheres zum diskriminierenden kirchlichen Arbeitsrecht erfährt man unter gerdia.de – gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz.

“Nachdem die Einsendungen zum Thema ‘Kinderwunsch’ die Konfessionsfreiheit doch etwas stiefmütterlich behandelt hatten, wollte die Jury für das neue Motto Konfessionsfreiheit als positiven Wert aufgeklärter Menschen doch wieder etwas mehr ins Zentrum stellen”, so Stifter und Jury-Mitglied Frank Hichert, “der Nachwuchs dürfe ruhig wieder etwas mutiger und progressiver schreiben.”

Deshalb also das neue Thema “Arbeitsrecht und Christenpflicht – leb ich offen oder nicht?” Wer mitmachen und 500 Euro gewinnen will, schreibe eine spannende, dramatische Geschichte dazu! Preisträger, prämierte Geschichten und aktuelle Teilnahmebedingungen finden sich unter: julit-preis.de.

 


Autorenfotos: Frank Hichert Stiftung (FHS)