Wozu brauche ich einen Gott?

FRANKFURT. (hpd) Gespräche mit Menschen, die religionsfrei sind. Ein Vortrag von Dr. Fiona Lorenz am 3. April 2009 im Saalbau Bornheim / Frankfurt am Main.

Bericht und Kommentar von Jochen Beck

Zur Fortsetzung der am 6. März von Dr. Michael Schmidt-Salomon eröffneten zweiten Vortragsreihe der Säkularen Humanisten – Regionalgruppe Rhein-Main des Förderkreises der Giordano Bruno Stiftung (GBS) - in Zusammenarbeit mit DiKOM e.V., referierte die Pädagogin und promovierte Philosophin Dr. Fiona Lorenz zu dem Themenkomplex ihres jüngst erschienenen Buches „Wozu brauche ich einen Gott ?“.

Für dieses Buch interviewte die Autorin etwa 70 Personen zu ihren Glaubenserfahrungen, vor allem hinsichtlich des Prozesses ihrer Loslösung von der Religion, aber auch ihrer weltanschaulichen Alternativen. Der Altersaufbau dieses Personenkreises reichte vom Kindes- bis zum Greisenalter, und er bestand zu 80% aus Männern. Darunter auch prominente Personen wie Ralf König, Janosch, Max Kruse, Esther Vilar, Mina Ahadi und Nina Vorbrodt. Zwischen den Geschlechtern bestanden hinsichtlich der geschilderten Erfahrungen beträchtliche Unterschiede. Frauen verglichen ihre Loslösung oft mit der Trennung von einem Beziehungspartner.

Die ausschlaggebenden Eindrücke, welche das jeweilige religiöse Weltbild untergruben, waren oft nicht etwa die Auseinandersetzung mit heiligen Schriften, religionskritischer Literatur und wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern auch sehr persönliche Erlebnisse wie etwa die Heuchelei von Geistlichen und Gemeindemitgliedern oder sogar körperliche Misshandlung durch Pfarrer, von denen ja vor allem Ältere zu berichten wissen. Einen kuriosen Fall bildete eine der betagteren Projektteilnehmerinnen; sie verbrachte ihr Leben als evangelische Christin, ihre Tochter wurde sogar Religionslehrerin. Diese Dame las schließlich im fortgeschrittenen Alter Franz Buggles „Denn sie wissen nicht, was sie glauben“ und erfuhr erst so das ganze Ausmaß des archaisch-inhumanen Gehaltes der Bibel. Sie ist heute entschiedene Atheistin!

Aus den Angaben der Referentin geht hervor, dass bis zu elf der befragten Personen trotz ihrer Irreligiosität noch einer Kirche angehören. Hierbei handelt es sich um sogenannte „Zwangskonfessionelle“, die den Verlust des Arbeitsplatzes zu befürchten hätten, wenn sie die Kirche verließen. Dass viele Mitarbeiter von kirchlichen Kindergärten und Krankenhäusern dem kirchlichen Dienstrecht unterliegen, obwohl die betreffenden Einrichtungen überwiegend aus den staatlichen Haushalten finanziert werden und so für besagte Kollegen die Grundrechte der freien Berufswahl und der Bekenntnisfreiheit sich beinahe gegenseitig ausschließen, ist ja bereits bekannt.


Ist es nicht höchste Zeit, diesen Skandal endlich einer breiten Öffentlichkeit bewusst zu machen!? (Anm. JB)

Zu den Zwangskonfessionellen gehören aber auch beispielsweise bayerische Einzelhändler, die befürchten müssen, ihre Kunden zu verlieren und sogar – besonders erschütternd - Pfarrer, die den Glauben verloren haben, sich aber weiterquälen, weil sie nichts anderes „gelernt“ haben.

Sogar zu erwartende Repressalien im familiären Bereich spielen eine Rolle. Ein Zeichen für die geringe Toleranz gegenüber Konfessionsfreien sieht die Referentin in den gegenwärtigen Schwierigkeiten, in einer deutschen Großstadt eine atheistische Buskampagne zu starten, während vergleichbare religiöse Aktionen viele Jahre lang die Regel waren. Fiona Lorenz bezeichnet dieses diskriminierende Verhalten als „gemein“.


Man kann es allerdings auch so sehen: Atheistische Humanisten pflegen im Allgemeinen keine Busse mit religiöser Werbung zu beschädigen, bei religiösen Menschen kann man sich da wohl im umgekehrten Fall nicht so sicher sein. Die Verkehrsbetriebe halten die Anhänger antiker und frühmittelalterlicher Religionen also für weniger zivilisiert. Zumindest die Katholiken hätten es aber eigentlich nicht nötig, sich durch Vandalismus bloßzustellen. Sie haben dafür den Papst. (Anm. JB)

Ebenso bedauerte die Referentin, dass sich bis jetzt noch kein Politiker bereit gefunden habe, seinen Atheismus so öffentlichkeitswirksam zuzugeben, wie dies schon im Zusammenhang mit Homosexualität geschah („Ich bin schwul, und das ist auch gut so!“).

Viele der ehemaligen Gläubigen verbinden mit ihrem religionsfreien Status ein selbstbestimmteres, selbstbewussteres Leben und haben sich häufig säkularen Organisationen angeschlossen.

Frau Lorenz selbst bekannte, nicht einen einzigen Augenblick ihres Lebens gläubig gewesen zu sein. Zwar kam auch sie in ihrer Kindheit mit Religion in Berührung, doch fiel es ihr nicht schwer, ihren lebenslangen Unglauben plausibel zu machen. In ihrer jüngeren Familiengeschichte kreuzten sich u.a. irisch-katholische und schottisch-protestantische Wurzeln.

 

Die Säkularen Humanisten Rhein-Main treffen sich wieder in Frankfurt am Main, am
17.04.2009 um 19:00 Uhr, in einem gemieteten Saal des wohlbekannten Club Voltaire, in der Kleinen Hochstraße Nr. 5 im Raum in der 2. Etage.

Der nächste Termin der Vortragsreihe ist am 15.05.2009 um 20:00 Uhr.