Kirche und Bildung gehören nicht zusammen

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Ostfriesland / Foto: Jetti Kuhlemann (pixelio)

EMDEN. (hpd) "Wir wollen vermehrt allgemeinbildende Schulen in kirchliche Trägerschaft bringen (...) Lutherische Kirche und Bildung gehören zusammen." So zitiert die Emder Zeitung den Landessuperintendenten Dr. Detlef Klahr.


Ein Kommentar von Andreas Dietz

Die strategischen Vorhaben der Landeskirche, eine ganze Reihe allgemeinbildender Schulen Niedersachsens in ihre Trägerschaft zu übernehmen, münden in konkrete Verhandlungen. Sie treffen auf die unüberlegte Bereitschaft politischer Entscheidungsträger, die Verantwortung für die Bildung junger Menschen abzutreten.

Es ist jedoch nicht Aufgabe des Staates, einer Religionsgemeinschaft, die an Mitgliederschwund und zurückgehenden finanziellen Mitteln leidet, allgemeinbildende Schulen zu übertragen, damit sie leichter neue Schäfchen als spätere Kirchensteuerzahler gewinnen kann. Dies ist nämlich erklärtes Ziel der Evangelischen Kirche: "Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hatte angekündigt, angesichts sinkender Mitgliederzahlen verstärkt in protestantische Kindergärten und Schulen zu investieren. Dadurch könnten nach einer Studie auch kirchenferne Menschen erreicht werden."

Was sind evangelische Schulen?

Evangelische Schulen unterscheiden sich von Schulen in staatlicher Trägerschaft durch die ausdrückliche Voraussetzung des christlichen Glaubens als Bekenntnis in der gesamten Arbeit der Schule: "Dieses Profil soll durch jedes Mitglied im Kollegium mitgetragen und verantwortet sein. Zudem wird vom Elternhaus Zustimmung zu einem evangelisch ausgerichteten Erziehungsverständnis erwartet."

Besonders pikant erscheint so ein Schulprofil, wenn - wie beim aktuell diskutierten Beispiel (Hinte und Krummhörn, nördlich von Emden) - die Haupt- und Realschulen zweier ostfriesischer Gemeinden in eine einzige Schule übergehen sollen.

Wenn nämlich diese neue Gesamtschule die einzige naheliegende Beschulungsmöglichkeit wird, sind auch konfessionsfreie Eltern gezwungen, ihre Kinder in die Hände der evangelischen Kirche zu geben.

Ähnliche Kritik wurde auch von der SPD vor Ort wegen des Schulgeldes vorgebracht: "Das Schulwesen sei eine öffentliche Aufgabe, private Träger sollen nur ergänzend solche öffentlichen Angebote machen, teilte Sprecher Ulrich Mittelstädt mit. Private Anbieter dürften das öffentliche Angebot nicht ersetzen."

Gehören Kirche und Bildung zusammen?

Wie gut Kirche und Bildung (nicht) zusammenpassen, lässt sich ganz hervorragend an den "Bildungsbemühungen" der EKD demonstrieren, die etwa im Internet Kindern und Jugendlichen die Bedeutung der zehn Gebote vermitteln möchte. (Zitat:)

"Die zehn Gebote sind eine der ältesten gesetzlichen Regelungen, die einerseits das Verhältnis von Gott zu den Menschen ansprechen, andererseits das Verhältnis der Menschen untereinander regelt. Die Werteordnung unserer westlichen Gesellschaft basiert auf diesen Geboten, gleichermaßen wie die französische oder amerikanische Verfassung oder die UN-Menschenrechtscharta. (...) Die zehn Gebote gehören zu den ‚Basics’ christlicher Verkündigung. Darüber hinaus sind sie sowohl das Urmaterial der Gesetzgebung in allen westlichen Zivilisationen als auch die unbestrittene Grundlage unserer Kultur: Emanzipation der Geschlechter, soziale Gerechtigkeit, Sozialgesetzgebung, Demokratie und Schulpflicht, das Recht des Kindes auf Kindheit sind ohne die zehn Gebote nicht denkbar."

Nun mögen die zehn Gebote historisch eine gewisse Tragweite entfaltet haben. Die Grundlage unserer modernen Rechtsordnung sind sie aber gewiss nicht. Dazu muss man sie nur lesen. Die Emanzipation der Geschlechter, die Gleichberechtigung von Mann und Frau gehört zu unseren Grundrechten (Artikel 3), während die Frau im zehnten Gebot wie selbstverständlich in einer Reihe mit den sonstigen Besitztümern des Mannes aufgeführt wird.

So lesen wir im Grundgesetz auch über die Meinungsfreiheit und die Freiheit von Kunst, Wissenschaft und Forschung (Artikel 5); indes heißt es im zweiten Gebot, man solle sich kein Bild machen von Himmel, Erde und Wasser.

Dem christlichen Glaubenszwang im ersten Gebot steht die Religionsfreiheit des Grundgesetzes gegenüber (Artikel 4). Und zu sozialer Gerechtigkeit, Demokratie und Schulpflicht findet man in den zehn Geboten keinen einzigen Hinweis.

Sind derartig falsche Behauptungen überhaupt tragbar? Man muss schon naiv sein, einer Institution mit solchen Vorstellungen von Bildung die Kompetenzen zur Schulträgerschaft zuzuschreiben.

Übernimmt die Kirche auch die Kosten?

Nein. Das tut sie nicht. Wie man erfährt, werden die Lehrergehälter in den ersten drei Jahren zwar von der Landeskirche bezahlt. Im Falle eines Fortbestands der IGS werde das Land ab dem vierten Jahr aber die Kosten übernehmen und die bisherigen Gehälter an die Kirche zurückzahlen. Es verhält sich wie bei allen sozialen Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft: Gemessen am finanziellen Eigenbeitrag tritt die Kirche allenfalls als Sponsor auf, ihre Repräsentanten heben jedoch unentwegt die gesellschaftliche Unverzichtbarkeit christlichen Engagements hervor.

Wie es scheint, soll im konkreten Beispiel - sozusagen "auf Teufel komm raus" - eine Integrierte Gesamtschule entstehen. Nachdem Plan A, die staatliche Trägerschaft - gescheitert ist, biedert man sich der Kirche an, der ein solches Projekt im Rahmen ihrer Missionierungsstrategie natürlich sehr gelegen kommt. Es bleibt zu hoffen, dass hier noch die Notbremse gezogen werden kann.