Fethullah Gülen: Entsorgung der Wissenschaft

Islamisierung durch Intellektuelle

Flaggschiff der Gülen-Leute ist die türkische Tageszeitung Zaman, die unter dem Titel Today's Zaman auch auf Englisch erscheint. Das Islamistenblatt lässt des Öfteren auch Ekmeleddin Ihsanoglu zu Wort kommen, Generalsekretär der „Organisation der Islamischen Konferenz“, der dort am 30.8. 2006 in einem Interview „Islamophobie“ mit dem Antisemitismus der dreißiger Jahre verglich und in der Ausgabe vom 6.6.2010 mit Aussagen zitiert wird, die Israel anlässlich der aktuellen Konfrontation vor der Küste Gazas der „Piraterie“, des „Staatsterrorismus“ und des „Verbrechens“ bezichtigen. Am 2.6.2010 ging die Zeitung gar mit verschwörungstheoretischen Spekulationen türkischer Politiker hausieren, die anlässlich eines Raketenangriffs auf einen türkischen Marinestützpunkt kurz vor dem blutigen Zwischenfall vor Gaza konzertierte Aktionen Israels gemeinsam mit der kurdischen PKK vermuten.

Die Europa-Ausgabe von Zaman erscheint in der World Media Group AG, die ihren Sitz in Offenbach hat. Von dort kommt auch die deutschsprachige Monatszeitschrift Zukunft, die in ihrer Ausgabe vom September 2008 ganz stolz berichtete, in einer Umfrage der Zeitschriften Foreign Policy (USA) und Prospect (Großbritannien) habe Fethullah Gülen unter 100 weltweit bedeutenden Intellektuellen den ersten Platz belegt. Dass zuvor die Medien in Gülens Umfeld seine Anhänger gezielt dazu aufgerufen hatten, sich an der Abstimmung zu beteiligen, zeigt, mit welchen Mitteln der Hype um den Guru betrieben wird.

In Deutschland treten Vereine des Gülen-Netzwerks vor allem durch die Gründung von Schulen und Nachhilfeinstituten in Erscheinung, was häufig, etwa durch den Islambeauftragen der Evangelischen Landeskirche Württemberg, Heinrich Georg Rothe, als vorbildliche Integrationsförderung gelobt wird. Die evangelische Stadtkirchengemeinde im baden-württembergischen Geislingen hat ihr Gemeindehaus gar an von ihr positiv beurteilte Gülen-Leute verkauft. Eine merkwürdige Logik allerdings, ausgerechnet Bestrebungen, türkische Kinder separat zu unterrichten und dabei islamistisch zu indoktrinieren, als Integrationsleistung anzusehen.

Dem offensichtlich sehr erfolgreichen Versuch, Einfluss in akademischen Kreisen zu erlangen, dient die Ausrichtung von Konferenzen wie der in Bochum. Sie ist nicht die erster ihrer Art in Deutschland. Im Mai 2009 gab es an der Universität Potsdam bereits eine Tagung mit dem bezeichnenden Titel "Muslime zwischen Tradition und Moderne - Die Gülen-Bewegung als Brücke zwischen den Kulturen", die das religionswissenschaftliche Institut der Universität zusammen mit dem „Forum für interkulturellen Dialog FID BERLIN e.V.“ veranstaltete, dessen Ehrenvorsitzender Fethullah Gülen ist. Eine der Rednerinnen damals war Rita Süßmuth. Weltweit haben schon mehrere dieser Konferenzen stattgefunden, vor allem in den USA, aber auch in Australien, den Niederlanden und im House of Lords, dem Oberhaus des Britischen Parlaments.

Die Organisatoren der Bochumer Konferenz - „Interkultureller Dialog e.V.“ „Interkulturelles Dialogzentrum e.V.“ und „Rumiforum am Rhein“ - sind ausnahmslos dem Gülen-Netzwerk zuzurechnen. Zum „wissenschaftlichen“ Beirat gehört unter anderem die Professorin Dr. Ursula Boos-Nünning, Erziehungswissenschaftlerin an der Uni Duisburg-Essen, die 2006 Mitunterzeichnerin des berüchtigten Aufrufs „Gerechtigkeit für die Muslime!“ war, welcher Islamkritikerinnen wie Necla Kelek und Seyran Ates diffamiert und den Versuch unternimmt, die Benennung islamisch begründeter Frauenrechtsverletzungen zu tabuisieren. Einer der Referenten ist Ercan Karakoyun, Geschäftsführer von „FID BERLIN“ und Zaman-Kolumnist. Der evangelische Theologe Reinhard Kirste, der in seinem Blog die Zeitung Zaman als „liberales türkisches Journal“ charakterisiert, wird über Fethullahs Theologie referieren. Auch Thomas Lemmen, katholischer Theologe und seit 2007 Referent für Islamfragen des Erzbistums Köln, zuvor in gleicher Funktion fürs Bundesinnenministerium tätig und bis vor kurzem auch christlicher Vorsitzender des Koordinierungsrates des christlich-islamischen Dialogs, ist mit von der Partie.

Fazit

Alarmierend an der Konferenz sind zwei miteinander verbundene Aspekte: Einerseits wird unter dem Label des Dialogs und der interkulturellen Verständigung das Renommée von islamischen Fundamentalisten gefördert, ihre irreführende Selbstdarstellung als Moderate und Reformer unterstützt und so auch ihre auf Machtausdehnung und Unterdrückung von Menschen gerichteten praktischen Bestrebungen legitimiert. Zum anderen wird mit einer unter dem Deckmantel von Wissenschaft betriebenen Ideologisierung antirationales, antiwissenschaftliches Denken weiter hoffähig gemacht und Wissenschaft als Mittel eines besseren, erweiterten Weltverständnisses auf dem Altar des Kulturrelativismus geopfert, als Preis für den Pakt mit Leuten, denen der Koran über alles geht.

Zur Konferenzwebsite geht es hier

Kritische Literatur: Kemal Bozay, Eine Synthese zwischen Islam, Nationalismus und Globalisierung: Die islamische Bewegung von Fethullah Gülen.
 

Klaus Blees

 

Der Autor ist Mitarbeiter im Kompetenzzentrum Islamismus der AKTION 3. WELT SAAR. Sein Beitrag entstand im Rahmen des Projektes „Islamismus zurückdrängen – Menschenrechte wahren“. Dieses Projekt wird aus Mitteln des Europäischen Flüchtlingsfonds kofinanziert. Kontakt: mail@a3wsaar.de.

 

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