Todd Solondz' Film "Wiener-Dog" nun als DVD in Deutsch

Ein Dackel im Marlboro-Land

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Wer einen Film über einen Hund dreht, kann den Menschen schon sehr nahe kommen. Ein Dackel wird durchs Leben bugsiert. Nacheinander hat er viele Herren, die er eigentlich nur trösten soll. Vielleicht leiden sie alle daran, dass sie zu viel voneinander erwarten. Todd Solondz' Film "Wiener-Dog" über das wechselvolle Wanderleben eines Dackels im Land der gelebten Träume ist liebevoll, sarkastisch und von heiterer Traurigkeit.

Es ist schwer zu sagen, welcher von den Menschen, in deren Heim und Haushalt der Kurzhaardackel nacheinander landet, eigentlich der unglücklichste ist. Sie alle brauchen dieses Wesen, das vor allem durch die Gegend getragen wird und dessen Hauptaufgabe es ist, sich linkische Liebkosungen gefallen zu lassen.

Das Personal: Ein gerade vom Krebs genesener Junge, ein einsames Mädchen, das ihr Herz an einen Drogenhändler gehängt hat. Zwei gerade eben erwachsen Gewordene mit Down-Syndrom, sie sind die Geschwister des Drogenhändlers. Ein glückloser Drehbuchschreiber, der in die Jahre gekommen ist, dessen Drehbücher keiner mehr liest und dessen Unterricht an der Filmhochschule die blasierten Schüler bloß noch verspotten. Eine todkranke ehemalige Diva, deren Enkelin sie nur besucht, weil sie Geld braucht, um ihren Künstler-Freund zu unterstützen, der sie nicht liebt.

DVD-Cover
DVD-Cover

Der Wiener-Dog, wie der Dackel auf Englisch bezeichnet wird, und der wirklich oft wie eine Bockwurst auf vier Beinen wirkt, wäre da nicht dieses wache Köpfchen, schlägt sich tapfer durchs Land der Marlboro-Mustangs. Selbst in Aktion tritt er freilich nur zweimal. Zu Beginn zerbeißt er ein Sofa-Kissen und löst damit ein Feder-Schneetreiben aus, am Ende marschiert er aus dem Haus der kranken alten Dame – und gerät sofort unter die Autoräder, wird überfahren, überfahren, überfahren. Er endet als mumifiziertes Kunstobjekt besagten Künstler-Freundes. Ansonsten ist er Gegenstand allerlei Projektionen.

Dressiert und gebrochen soll er werden und reagiert nur mit nicht enden wollender Diarrhoe. Der erfolglose Story-Schreiber inszeniert mit ihm später die Life Story seines Lebens. In einem Puppenkleidchen mit Sprengstoffgürtel setzt er ihn in der Hochschule aus und löst den Einsatz eines ganzen Sturmtrupps eines Anti-Terror-Kommandos aus. Ach, hätte er das doch besser nur aufgeschrieben. Der Filmerfolg wäre ihm sicher gewesen.

Todd Solondz steht in einer langen Tradition. Schon Cervantes schrieb ein von Gottfried Keller übersetztes "Gespräch zwischen Cipión und Berganza, Hunden des Auferstehungshospitals", die einander ihr wechselvolles Leben unter vielen Herren erzählen, und der Aufklärer Anton Pfeffel die "Biographie eines Pudels", dem von herzlosen Menschen Unerträgliches widerfährt und nur gar zu selten auf Güte trifft.

Bei Todd Solondz ist es die Unfähigkeit einander zu berühren, die Einsamkeit, mit der die Menschen einander so traurig machen. Sie irren durchs Leben, selbst wenn ihr Haushalt noch so fest gefügt ist. Wie könnte es da einem Dackel besser gehen? Den Kopf oben behalten sie aber trotzdem alle und damit ihre Würde.

Todd Solondz: "Wiener-Dog", Prokino 2016, 83 Min., Sprache Deutsch, frei ab 12 Jahren, 13 Euro