Kommentar

Die Bundesregierung wird die Lage von Flüchtlingen verschärfen

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Angela Merkel

BERLIN. (hpd) Seit Wochen wird nahezu pausenlos und detailreich über die Lage von Flüchtlingen in und außerhalb Europas berichtet. Kaum ein anderes Thema beschäftigt und polarisiert die Bevölkerung mehr. Während zunächst die zahlreichen Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und das rassistische Agieren "besorgter Bürger" im Vordergrund standen, mobilisierte sich in der Bundesrepublik eine Gegenbewegung und Willkommenskultur, die ihresgleichen sucht und weltweit für positive Schlagzeilen sorgte. Die Bundesregierung, mit Ausnahme der CSU wohlgemerkt, sprang sogleich auf diesen Zug auf und schrieb sich eine solidarische Flüchtlingspolitik auf ihre eigenen Fahnen. Zu Recht?

Zunächst sei folgendes gesagt: Die Art und Weise wie sich die Mehrheit der Bevölkerung bundesweit für Flüchtlinge engagiert, ist absolut überwältigend. Die sogenannten Asylkritiker haben die Meinungshoheit innerhalb der öffentlichen Diskussion zunächst verloren und stehen jetzt moralisch berechtigterweise im Abseits. Nun versucht die Bundesregierung unter Angela Merkel sich diese Willkommenskultur zu eigen machen und die Kanzlerin wird dafür wie eine Mutter Theresa gefeiert. Tatsache ist jedoch, dass Merkel wohl erneut geschickt das gesellschaftliche Stimmungsbild beobachtete und sich nach diesem wie ein Fähnchen im Wind richtete – so wie sie es in fast allen schwierigen Situationen ihrer Kanzlerschaft tat. Was kam aber beim Flüchtlingsgipfel am vergangenen Sonntag tatsächlich raus? Allem Anschein nach handelt es sich, gemessen an den Erwartungen, um die reinste Mogelpackung.

Die gemeinnützige Organisation PRO ASYL nahm zu den Ergebnissen des Gipfels Stellung und bezeichnete das Maßnahmenpaket als "Abschreckungspolitik wie in den Neunziger Jahren". Neben der Ersetzung von finanziellen Leistungen durch Sachleistungen sollen Flüchtlinge anstatt drei nun sechs Monate in Erstaufnahmestellen verbleiben müssen. Trotz Ankündigung der Bundesregierung die Kapazitäten der Aufnahmestellen von 45.000 auf 150.000 Plätze zu erweitern, ist es äußerst unrealistisch, dass diese Anzahl kurzfristig erreicht wird, um Menschen bedarfsgerecht unterzubringen. Darüber hinaus soll zukünftig die Residenzpflicht wiedereingeführt werden, die Flüchtlingen verbietet, sich frei im Bundesgebiet bewegen zu können. 

Mit welchen Folgen wäre zu rechnen? Der auf sechs Monate verlängerte verpflichtende Verbleib in Erstaufnahmestellen soll dazu beitragen, sogenannte "Fehlanreize" zu vermeiden. Stattdessen wird dadurch eine Überbelegung herbeigeführt, die Menschen noch enger zusammenpfercht – die Lebensumstände werden dadurch noch unerträglicher und das Konfliktrisiko in den Einrichtungen wird erheblich gesteigert. Angesichts der weiterhin fast täglich stattfindenden Angriffe auf Unterkünfte ist dies eine mehr als fahrlässige Handlung, denn sie bietet Rassisten eine noch größere Angriffsfläche. Des Weiteren werden Flüchtlinge durch die Residenzpflicht des Grundrechts auf Mobilität beraubt und die ausschließliche Ausgabe von Sachleistungen wird sie sozial vollends ausgrenzen und in die absolute Armut treiben. Laut PRO ASYL ist die Ausgabe von Sachleistungen statt Bargeld auch verfassungswidrig. 

Das Fazit ist eindeutig: Lukas Walraff etwa hat im Rahmen eines Kommentars in der Tageszeitung zurecht geäußert, dass man sich auf Merkel nicht verlassen sollte, weil sie ihre Meinung schon viel zu oft geändert hat. Doch die deutsche Flüchtlingspolitik im europäischen Vergleich als "links außen" stehend zu bezeichnen ist im Hinblick auf die kürzlich beschlossenen Maßnahmen nicht angebracht. Sie bedeuten vielmehr einen massiven Rückschritt und attestieren der Bundesregierung noch mehr als zuvor ein fehlendes Gespür für bedarfsgerechte Maßnahmen, wie etwa eine beschleunigte Vergabe einer Arbeitserlaubnis, oder die Schaffung eines Bundesministeriums für Flüchtlingsfragen. Angela Merkel wird dieses Problem jedenfalls, wie sie es wohl ihrem Stil entsprechend gerne tun würde, nicht rasch abhaken können.