Kommentar

Im Osten nichts Neues

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Landeshauptstadt Dresden
Dresden bei Nacht

TRIER. (hpd) Woche für Woche, mittlerweile sogar täglich, wird über rassistische Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte berichtet sowie auf Antirassisten, die sich dem rechten Mob entgegenstellen wollen. Die mit Abstand meisten Anschläge und Demonstrationen sogenannter "besorgter Bürger" ereignen sich in Sachsen.

Der Landesregierung wird Ohnmacht attestiert. Doch ist es nicht gerade die seit 25 Jahren regierende CDU, die der Verbreitung solchen Gedankenguts entscheidend den Weg geebnet hat und anscheinend bewusst zur Eskalation der Lage beigetragen hat?

Die zunehmende Radikalisierung der rechten Bewegungen in Sachsen und die sich verschärfende Gewalteskalation hatte auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière aus dem Wachkoma gerissen und er forderte die Bevölkerung Dresdens dazu auf, "sich nicht diesen Rechtsextremisten von PEGIDA" anzuschließen. Noch wenige Monate zuvor hatte er zum Dialog aufgefordert, denn "man müsse auch deren Sorgen ernst nehmen". In ähnlicher Manier verfährt auch Sachsens Innenminister Markus Ulbig, der ebenfalls lange Zeit die rechten Gewaltausbrüche nicht als ernst zu nehmende Gefahr ansah.

Ein Punkt, wo jedoch seine Doppelmoral augenscheinlich wird, zeigt sich an folgendem Beispiel: Im vergangenen Winter beauftragte er die Einrichtung einer Task Force der Polizei speziell zur Beobachtung und Kontrolle von sogenannter Ausländerkriminalität. Aber eine konsequente Strafverfolgung rechter Gewalt fand bislang kaum statt, welcher unter anderem Flüchtlinge, Journalisten und Flüchtlingsaktivisten zum Opfer fielen. Aber agiert die Landesregierung tatsächlich so unbeholfen oder steckt nicht doch ein wenig strategisches Kalkül dahinter?

Das Magazin "Kontraste" hat im RBB (Rundfunk Berlin-Brandenburg) dazu einen aufschlussreichen Fernsehbeitrag produziert, der zeigt, in welchem Umfang wichtige Politiker der Sachsen-CDU Zündstoff für die gegenwärtige Lage lieferten. Eine dieser Personen ist niemand geringeres als der Präsident des Sächsischen Landtages Matthias Rößler, welcher zuvor zwischen 1994 bis 2004 Kultus-, Wissenschafts- und Kulturminister war. Wer sich gerne eine Meinung bilden will, von welchen Einstellungen seine Arbeit geprägt ist, kann schon bei den Titeln seiner Publikationen erahnen, worauf man sich gefasst machen kann. Als da wäre: "Patriotismus, Nation und gesellschaftlicher Zusammenhalt". Das Erklingen solcher Schlagworte weckt auf Anhieb Assoziationen mit PEGIDA, AfD und ihre sonstigen Geistesbrüder. Auch im Umgang mit Reportern zeigt er ein ähnliches Feingefühl und reagiert auf kritische Fragen meistens äußerst pikiert und bricht das Kurzinterview nicht selten ab.

Bei einer weiteren Führungsfigur handelt es sich um Frank Kupfer, dem Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion. Über mehrere Jahre hinweg Umweltminister im Kabinett von Ministerpräsident Stanislaw Tillich, schreckt er auch nicht davor zurück, angesichts eskalierender Gewalt erneut Benzin ins Feuer zu gießen. Nachdem Tillich im Landtag die Krawalle in Heidenau verurteilte, sah er kein Problem darin zu betonen, dass der Islam nicht zu Sachsen gehöre. Wenn er in der Konsequenz einer solchen Aussage die Notwendigkeit einer säkularen Gesellschaft gefordert hätte, wäre ihm womöglich eine glaubwürdige Distanzierung von PEGIDA gelungen. Allerdings hätte dies seiner Karriere innerhalb der CDU wohl ein rasches Ende gesetzt. Stattdessen suchte er sich als führender Politiker einen kaum ungünstigeren Zeitpunkt aus, wenn ihm gelegen wäre, die Lage zu beruhigen. Es sei denn, er kann den selbst ernannten Patrioten doch etwas abgewinnen. Darüber kann aber nur spekuliert werden.

Das ist allerdings noch nicht alles: Wenn man einen Blick auf das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz wirft, ist es umso nachvollziehbarer, dass besonders in Sachsen rechte Gewalt besonders gut gedeiht. Der gegenwärtige Präsident Gordian Meyer-Plath spielte bei der Aufklärung der NSU-Morde eine mehr als ambivalente Rolle. Vor seinem Amt als Präsident war er V-Mann-Führer beim Verfassungsschutz Brandenburg und betreute den V-Mann "Piato". Dieser meldete bereits im Jahr 1998, dass ein Blood & Honour-Führer aus Chemnitz beauftragt wurde, Waffen an Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt zu liefern. Die Informationen über das Trio gelangten nie an die Polizei, ehe die Existenz des Trios vor mittlerweile vier Jahren aufflog. Darüber hinaus war Meyer-Plath Mitglied der Bonner Burschenschaft Marchia, über die er zuvor nie öffentlich sprach und sieht in ihnen keinerlei Gewaltpotential. Stattdessen äußerte er sich wie folgt: "Sie ist Ausdruck meines privaten Engagements für Gesellschaft und Demokratie und nicht in allen beruflichen Zusammenhängen relevant."

Wer 2014 noch dachte, dass mit dem Verschwinden der NPD aus dem Parlament auch rechtes Gedankengut verschwindet, täuscht. Sachsen ist ein Paradebeispiel für gesellschaftlich akzeptierten und politisch bewusst geförderten Rassismus, der weit in die Mitte reicht. Das einzige jedoch, was Sachsen fehlt, ist ein bayrischer Silberrücken, der seine Ressentiments gegen eine gesamte Bundesregierung durchsetzen kann. Wobei einer derzeit schon schlimm genug ist.