Von Gnaden der Ministerin

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Wien Justizministerium / Foto: Gryffindor

WIEN. (pw/hpd) In Österreich steht die Pressefreiheit auf dem Prüfstand. Nach einer illegalen Aktion der Staatsanwaltschaft Wien gegenüber drei renommierten JournalistInnen, versucht Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) zu kalmieren. Und heizt die Diskussion erst recht an.

Eine Entschuldigung und eine etwas irritierende Forderung nach einer breiten Debatte - nicht um die Pressefreiheit, die JournalistInnen und ihre Gewerkschaft in Gefahr sehen, sondern um ein neues Mediengesetz. Selbstverständlich unter Einbeziehung eventueller Medienopfer und aller sonstiger Beteiligten. Das fällt Justizministerin Bandion-Ortner (ÖVP) als Reaktion auf zwei Angriffe auf die Pressefreiheit in Österreich ein, wie sie noch selten da waren.

Die JournalistInnen Michael Nikbakhsh und Ulla Schmid (beide profil) und Kurt Kurch (News) brechen nachweislich kein österreichisches Strafgesetz, als sie über die Hypo Alpe Adria Affäre berichten. Was die Staatsanwaltschaft Wien nicht davon abhält, Verfahren gegen sie einzuleiten. Das hatten die Münchner Kollegen verlangt. Sie wollten die drei dafür drankriegen, dass sie aus Ermittlungsakten zitierten. In Deutschland strafbar. In Österreich nicht. Offiziell nur ein "Fehler".

Und ein Gericht will den ORF zwingen, das Redaktionsgeheimnis zu brechen. Die Anstalt soll Bänder herausgeben, bei denen eine bestenfalls konstruierbare Möglichkeit besteht, dass sie ein nachweislich nicht existentes Vergehen dokumentieren. Der ORF-Redakteur Ed Moschitz soll, so die FPÖ, zwei Skinheads aufgefordert haben, gegenüber ihrem Chef Bumsti Strache Nazi-Parolen zu sagen. Die Nazi-Parolen hat nur Strache selbst gehört. Weswegen gegen ihn wegen des Verdachts der falschen Zeugenaussage ermittelt wird. Die Nazi-Parolen hat es nie gegeben, wie auch ein Gutachter feststellt. Trotzdem wird weiter gegen Moschitz ermittelt.

Wie Mordermittlungen ohne Mordopfer

Viel deutlicher lässt sich die Unschuld eines Beschuldigten nicht beweisen. Das Delikt, zu dem er, und das nur nach Mutmaßungen eines ihm feindlich gesonnenen Politikers, unter Umständen aufgerufen haben könnte, hat es nicht gegeben. Genauso gut könnte man gegen jemanden wegen Anstiftung zum Mord an jemandem ermitteln, der nachweislich am Leben ist und gegen den es keinen dokumentierbaren Mordversuch gegeben hat. Außer möglicherweise in der blühenden Fantasie des Betroffenen. Jede Staatsanwaltschaft würde das Verfahren sofort einstellen. Man mag mutmaßen, was die Motive sind, das Verfahren gegen Moschitz nicht sofort einzustellen. Hinweise auf die starken rechten Seilschaften in der Justiz machen diskret die Runde.

Die Bänder, die die FPÖ-Veranstaltung zeigen, befinden sich längst in den Händen der Justiz. Sie, und nur sie, sind Beweismittel. Sie nicht herauszugeben, wäre eine strapazierende, wenn auch nicht völlig illegitime, Interpretation des Redaktionsgeheimnisses gewesen. Die anderen Bänder, auf denen viel "Rohmaterial" und vermutlich auch viele Recherchegespräche für die Reportage über zwei Neonazis sind, haben mit dem Fall nichts zu tun. Der ORF hält sie zurecht zurück.

Was im Vertrauen gesagt wurde, bleibt vertraulich

Es wäre ein Skandal, würde die Anstalt sie herausrücken. Hier wird viel vertrauliches Material drauf sein, das niemanden etwas angeht und das sonst im Regelfall sehr rasch gelöscht wird. Das wäre auch und gerade so, wenn sich in diesem - nicht veröffentlichten - Material die Neonazis in illegaler politischer Weise betätigen würden. Die beiden haben sich für die Reportage zur Verfügung gestellt. Es soll ihnen daraus kein unnötiger Schaden erwachsen, zumindest nicht in einem Ausmaß, das die beiden nicht abschätzen konnten, als sie den Dreharbeiten zustimmten.

Genau das versteht man unter Redaktionsgeheimnis. Und unter verantwortungsvollem Journalismus. Man reitet Menschen nicht rein. Was sie im Vertrauen gesagt haben, bleibt vertraulich. Und es geht - mit Ausnahme seiner Vorgesetzten - niemanden etwas an, wie ein (vielfach ausgezeichneter) Journalist seine Arbeit macht. Schon gar nicht eine politische Partei, die seit Beginn der Affäre nichts anderes im Sinn hat als dem Redakteur und dem ORF zu schaden, wo sie kann.

Versteht Bandion-Ortner, worum es geht?

Damit kann Bandion-Ortner offenbar nicht viel anfangen. Sie fordert lieber den ORF auf, sich wie jeder andere Bürger auch, an Gerichtsbeschlüsse zu halten. Egal, ob diese Beschlüsse demokratische Rechte gefährden oder nicht. Das lässt im besten Fall auf Ignoranz gegenüber Medien und der Rolle schließen, die Medien in einer Demokratie spielen. Man könnte ihr auch ein gespanntes Verhältnis zu Medien nachsagen. Oder, dass sie Grundrechte nur akzeptiert, wenn sie sie zugesteht.

Darauf lassen auch ihre Vorstöße in Richtung einer "breiten Debatte" schließen. Vielleicht Verzögerungstaktik. Bis das mal in die Gänge kommt, hat jeder die Sache vergessen. Vielleicht auch ein eleganter Versuch, um Medienrechte aufzuweichen. Das hängt davon ab, wer bei dieser Debatte welche Rolle spielt. So legitim es ist, Strafen für fahrlässige und erniedrigende Berichterstattung abschreckender zu machen, so gefährlich wäre es, diese Berichterstattung durch Knebelungsgesetze von vornherein verhindern zu wollen.

Strafen müssen sich nach dem Umsatz des Mediums richten, um hier Missstände zu beseitigen. Eine Zeitung darf das nicht aus der Portokasse zahlen können. (Wobei es hier gleichzeitig eine bessere Abstufung erfolgen wird müssen.) Mit dem Redaktionsgeheimnis hat das gar nichts zu tun. Es wäre wünschenswert, dass Bandion-Ortner das klarstellt. sonst wird sie Befürchtungen nicht entkräften können, dass mit Hilfe von Debatten über einen restriktiven Umgang mit der Pressefreiheit die Pressefreiheit ausgehöhlt wird. Die Befürchtungen scheinen angesichts der jüngsten Vorkommnisse und der konfusen Ankündigungen der Ministerin alles andere als unberechtigt.

Christoph Baumgarten