Ideologische Hintergründe des Kreationismus

(hpd) Die biblische Auffassung, die Welt sei durch einen göttlichen Schöpfungsakt entstanden, gilt spätestens seit Darwin als wissenschaftlich

unhaltbar

Gleichwohl gab und gibt es Gegenbewegungen, welche meist mit der Sammelbezeichnung „Kreationismus" erfasst werden. Deren Anhänger finden sich in religiösen Gemeinschaften, weniger in wissenschaftlichen Kontexten. Mittlerweile existiert aber auch eine Teilströmung, die unter der Bezeichnung „Intelligent Design" das Bestehen der Lebewesen und der Welt auf das Wirken eines planenden Akteurs zurückführt. Sie erhebt dabei den Anspruch, im Namen der Wissenschaft zu argumentieren. Insbesondere in den USA finden der Kreationismus und die „Intelligent Design"-These keine unbeträchtliche Verbreitung. Aber auch in Deutschland bestehen derartige Strömungen. Offenbar neigte auch ihnen jüngst noch eine hessische Landesministerin zu, wollte sie doch die Evolutionstheorie gleichrangig mit der Schöpfungslehre im Biologie-Schulunterricht behandelt sehen.

Dem „Kreationismus in Deutschland" widmen sich die Autoren eines gleichnamigen Sammelbandes, der von dem Biologen Ulrich Kutscherea aus Kassel herausgegeben wird. Der Inhaber des dortigen Lehrstuhls für Pflanzenphysiologie und Evolutionsbiologie versammelt darin zehn Aufsätze. Die Autoren gehören der „Arbeitsgemeinschaft Evolutionsbiologie" im „Verband deutscher Biologen" (Vdbiol) an. Inhaltlich wollen sie die Hintergründe der Anti-Evolutionsbewegung erhellen, Unterwanderungsstrategien einiger Medien offen legen, Analogien zu anderen Zweigen der Naturwissenschaften aufzeigen und die Unwissenschaftlichkeit biblisch inspirierter „Hybrid-Theorien" verdeutlichen. Inhaltlich knüpft man an Ulrich Kutschers in dieser Hinsicht prägendes Grundlagenwerk „Streitpunkt Evolution. Darwinismus und Intelligentes Design" von 2004 an. Der Sammelband versteht sich letztendlich als eine Art Ergänzung und Fortsetzung dieser Arbeit. Gleichwohl können die Beiträge auch unabhängig von diesem Werk gelesen werden.

Inhaltlich geht es um folgende Themen: die Entwicklung der Evolutions- und Photonenauffassungen, die Abwendung des bedeuteten Zoologen Ernst Haeckel (1834-1919) vom christlichen Glauben, die „Intelligent Design"-Kampagne des Wiener Kardinals Christoph Schönborn (2005), die Fehlschlüsse und Manipulationstechniken der Kreationisten, das Spannungsverhältnis zwischen den Aussagen der Kreationisten und der Realwissenschaften, das Wirken eines Kreationisten am Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung, den Kreationismus in Deutschland aus der Perspektive eines Paläontologen, die pseudo-wissenschaftliche Argumentationsweise der „Intelligent Design"-Anhänger, die Gemeinsamkeiten von „Intelligent Design" und teleologischem Gottesbeweis und die öffentliche Debatte in Deutschland zum Thema. Mitunter enthält das Buch - was bei einem Sammelwerk aber in der „Natur der Sache" liegt - inhaltliche Lücken ebenso wie Wiederholungen - vor allem hinsichtlich der Wissenschaftsfeindlichkeit des Kreationismus.

Die einzelnen Aufsätze stammen von Kennern der Materie, die souverän und überzeugend den ideologischen Hintergrund des Kreationismus herausarbeiten. Mitunter versteigen sich die Autoren dabei aber allzu sehr in die Details bestimmter Auseinandersetzungen, so dass die eigentlich viel wichtigeren größeren Linien der kritischen Einwände nicht immer eindeutig genug herausgearbeitet werden. Gleichwohl gelingt es immer wieder, den Kontrast zwischen Ideologie und Wissenschaft bei der kritischen Auseinandersetzung mit dem Kreationismus und der Intelligent Design-These hervorzuheben. Im Sammelband fehlt leider ein Beitrag, der ausführlicher nach der gesellschaftlichen Akzeptanz derartiger Auffassungen fragt und die einschlägigen Bestrebungen genauer ins Visier nimmt. Immerhin gibt es in Deutschland doch eine ganz andere Grundstimmung in dieser Frage, distanzierten sich doch auch viele sonstige Gesinnungs- und Parteifreunde von der oben erwähnten hessischen Ministerin mit ihrer Vorliebe für die unwissenschaftliche Schöpfungslehre.

Armin Pfahl-Traughber

Ulrich Kutschera (Hrsg.), Kreationismus in Deutschland. Fakten und Analysen (Reihe: Naturwissenschaft und Glaube, Bd. 1), Münster 2007 (Lit-Verlag), 370 S., 19,90 €