Kanton Nidwalden: Ja zur Selbstbestimmung am Lebensende auch in Alters- und Pflegeheimen

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Rathaus von Stans, Tagungsort des Landrats des Kantons Nidwalden.

Der Nidwaldner Landrat verpflichtet alle Gesundheitseinrichtungen, das Selbstbestimmungsrecht am Lebensende zu respektieren und in ihren Räumlichkeiten Freitodbegleitungen zuzulassen. Er hat gestern einer entsprechenden Motion von Landrätin Elena Kaiser (Grüne) mit 36 Ja- zu 17 Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen deutlich zugestimmt. Der Verein Dignitas – Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben und die Freidenker-Vereinigung der Schweiz begrüßen diese Entscheidung.

Bisher konnten im Kanton Nidwalden die Heimleitungen darüber entscheiden, ob eine Bewohnerin oder ein Bewohner das Recht ausüben darf, in den eigenen vier Wänden die Unterstützung einer Suizidhilfeorganisation zur selbstbestimmten Lebensbeendigung zu beanspruchen. Landrätin Elena Kaiser (Grüne) sieht in der bestehenden Rechtslage einen Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht und begründete ihren Vorstoß so: "Eine durch das Gesetz geregelte Vereinheitlichung betreffend Zugang von Sterbehilfeorganisationen zu allen staatlich subventionierten Heimen würde dieser Willkür entgegentreten und sie zukünftig verhindern." Es ist ihr gelungen, die Mehrheit des Landrats davon zu überzeugen, dass die Ausübung des verfassungsmäßigen Rechts über Art und Zeitpunkt des eigenen Lebensendes selbst zu bestimmen, für Bewohnerinnen und Bewohner nicht vom Einverständnis einzelner Heimleitungen abhängig sein darf.

Mit seiner Zustimmung zur entsprechenden Ergänzung des Gesundheitsgesetzes folgt Nidwalden als erster Zentralschweizer Kanton den Westschweizer Kantonen Genf, Neuenburg, Waadt und Wallis. Dignitas ist zuversichtlich, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis alle Kantone nachziehen werden.

Die Möglichkeit, selbst über sein Lebensende zu bestimmen, ist ein wichtiges Grundrecht. In der Schweiz ist die assistierte Freitodbegleitung etabliert und der Zugang für die meisten, die diesen Weg beschreiten wollen, gesichert. Dies gilt jedoch nicht für Personen in Gesundheitseinrichtungen. Sie sind in manchen Kantonen der Willkür von Heimleitungen und Personal ausgesetzt.

Um diesem Missstand zu begegnen, haben verschiedene Kantone in den letzten Jahren gesetzlich geregelt, dass staatliche und staatlich subventionierte Gesundheitseinrichtungen Freitodbegleitungen in ihren Heimen ermöglichen müssen. Die Botschaft ist klar: Das individuelle Selbstbestimmungsrecht ist höher zu gewichten, als weltanschauliche Einwände gegen Freitodbegleitungen, die Heimleitungen oder Angestellte haben mögen.

Das Bundesgericht hatte 2016 eine Beschwerde der Heilsarmee gegen die entsprechenden gesetzlichen Auflagen abgelehnt (GBE 142 I 195). Es befand: "In der Interessenabwägung überwiegt die Freiheit der Bewohner und Patienten des betroffenen Pflegeheims, den Zeitpunkt und die Form ihres Lebensendes selbst zu wählen, gegenüber der Glaubens- und Gewissensfreiheit der Genossenschaft, die Trägerin des Pflegeheims ist".

Die Freidenker-Vereinigung freut sich sehr über den parlamentarischen Erfolg ihres Mitglieds Elena Kaiser und gratuliert ihr, dass es ihr gelungen ist, für dieses wichtige Thema lagerübergreifend große Unterstützung zu erhalten. Andreas Kyriacou, Präsident der Freidenker-Vereinigung, dazu: "Das Selbstbestimmungsrecht am Lebensende ist ein wichtiges Freiheitsrecht. Es ist sehr erfreulich, dass nun auch Nidwalden gewillt ist, dies im Gesundheitsgesetz zu schützen."

Im Kanton Wallis hatte die Stimmbevölkerung im November 2022 eine vergleichbare Gesetzesänderung mit 76,6 Prozent befürwortet. Die Freidenker hatten sich stark für das Ja engagiert. Im Kanton Zürich werden aktuell für eine Volksinitiative mit derselben Zielrichtung Unterschriften gesammelt, die Freidenker-Vereinigung unterstützt das Begehren aktiv. Und auch im Kanton Genf wird sie sich bei der Referendumsabstimmung zum Thema engagieren. Dort hatte eine Ratsmehrheit Anfang September die Verpflichtung für Gesundheitseinsrichtungen, Freitodbegleitungen zu ermöglichen, aus dem Gesundheitsgesetz gestrichen. Vor einer Woche wurden knapp 15.000 Unterschriften gegen die Gesetzesänderungen eingereicht – mehr als zweieinhalb mal so viele wie benötigt.

Der Entscheid des Nidwaldner Landrates hat wegen dieser Abstimmungen über den eigenen Kanton hinaus Signalwirkung. Elena Kaisers Motion dürfte also dazu beitragen, dass auch in den großen Kantonen Zürich und Genf das Selbstbestimmungsrecht am Lebensende gestärkt wird.

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