Ökonomische Plaudereien

Kopernikus: Sonne und Inflation

BERLIN. (hpd) Wenn man an interessante ökonomische Schriften denkt, mag man je nach Aufgabenstellung und Vorliebe wohl auf ganz verschiedene Autoren kommen. Nikolaus Kopernikus ist eher seltener dabei. Kopernikus war Astronom. Das wohl Bedeutendste, was er uns schriftlich hinterließ, war seine Astronomie, die die Sonne in die Mitte des Planetensystems rückte. Daneben befaßte er sich aber auch mit ganz anderen Dingen, darunter Jura, Medizin und eben Ökonomie.

Nikolaus Kopernikus (1473–1543) machte sich Gedanken über das Münzwesen und den Geldumlauf - lange bevor seine bahnbrechende Arbeit zur Astronomie veröffentlicht wurde. In einer Denkschrift aus dem Jahr 1522 [1] [2] an den preußischen Landtag gibt er einiges davon wieder. Er beschreibt darin zunächst, was Münzen und ungeprägtes Edelmetall im allgemeinen voneinander unterscheidet und stellt das Geld als Maß der Werte dar. Dann äußert er sich zum Verhältnis von Material- und Nennwert von (Edelmetall-)Münzen sowie zu den bei Münzen gewöhnlich auftretenden Mängeln hinsichtlich Legierung und Gewicht. Dann deutet er die Möglichkeit einer Geldentwertung an, die auftritt, wenn die umlaufende Geldmenge zu groß ist. Ebenso warnt er vor zu langem Umlauf von Münzen und der damit verbundenen Abnutzung (Wertveränderung) und der Versuchung, dem Gewicht oder der Legierung nach “"schlechte" Münzen zu machen und sich an der dadurch erzeugten Differenz zu "guten" Münzen zu bereichern. Da es sich um eine Denkschrift handelt, spricht Kopernikus die Dinge jeweils nur kurz an. Eine wissenschaftliche Arbeit zum Thema wäre sicher weit umfangreicher. Dennoch stecken einige ganz wesentliche Elemente darin: Geld als Maß der Werte und als Zirkulationsmittel sowie das Wesen der Inflation.

Kopernikus beschließt die Ausführungen nach einigen Beispielen mit dem Vorschlag, das Münzwesen für das ganze Land zu zentralisieren, was vor dem Hintergrund der damals recht verteilten Münzbefugnisse sehr modern anmutet. Die Darstellung des Kopernikus bezeugt die Höhe der Abstraktion, auf der seine wirtschaftstheoretischen Überlegungen angelangt waren. Möglicherweise war man mit den ökonomischen Einsichten zu jener Zeit nirgendwo weiter als Kopernikus es hier zeigt. Das macht ihn dann vielleicht auch zu einem Pionier in der Geschichte der Wirtschaftswissenschaften.

Die Überlegungen zu "gutem" und "schlechtem" Geld finden sich erst eine Generation später beim Begründer der Londoner Börse wieder. Thomas Gresham verstand gleichfalls, dass (per Gesetz) unterbewertetes Geld aus dem Umlauf verdrängt wird. Im Ergebnis wird der Umlauf vom schlechteren Geld beherrscht. Das gute wird gebunkert oder geht aus dem Land. [3]

Die Inflation war schon bekannt als man noch meinte, die Sonne drehe sich um die Erde.

Heute benutzen wir im Alltag kein geprägtes Edelmetall mehr, wenigstens nicht beim Bäcker. Aber manche Länder geben noch heute Edelmetallmünzen als offizielles Zahlungsmittel heraus. Diese Anlagemünzen werden an Börsen gehandelt und können bei Banken eingetauscht werden. In den 1990er Jahren war das in Deutschland recht verbreitet. Banken warben mit ihren Angeboten dazu. Dadurch, dass das geprägte Edelmetall offizielles Zahlungsmittel eines Landes ist, wird es steuerlich anders behandelt als etwa der Rohstoff Gold. Auf diese Weise konnte jeder Ersparnisse bequem in Gold anlegen. Das treibt zuweilen interessante Blüten. Australien gibt das Australian Nugget in verschiedenen Größen aus, darunter auch eines mit einer Masse von 1Kg. Das ist vielleicht nur beschränkt hosentaschenfähig, aber eben eine Anlagemünze.

Auf diesen Münzen findet sich auch stets ein Nominalwert, der weit unter dem Materialwert liegt. Wie schon Kopernikus erläutert, führt das dazu, dass diese Stücke, auch nicht die ganz kleinen, eher nicht beim Bäcker auftauchen sondern im Safe liegen oder, bei geeigneten Abmessungen, als Briefbeschwerer dienen. Das "gute" Geld wird vom "schlechteren" im Umlauf verdrängt. Wenn man eine Banknote hat, die wie eine Goldmünze einen Nominalwert von 50 Einheiten aufweist, so wird man dazu neigen, das Papiergeld in Umlauf zu bringen und das Gold zu horten. Das ist in gewisser Weise die extreme Ausprägung der Kopernikanischen Überlegungen dazu, welche die graduellen Unterschiede verschiedener, als gleichwertig festgesetzter Münzen behandeln.

So, wie damals mancher bei Münzen mit gleichem Nominalwert jene mit dem größeren Materialwert für sich behielt, ist auch heute zu beobachten, dass bei gewissen Unsicherheiten im Wirtschaftsleben das Interesse an Anlagemünzen zuweilen wächst.


  1. Leopold Friedrich Prowe, Nicolaus Coppernicus., Berlin 1884, Weidmannsche Buchhandlung, S. 21ff; Anm.: Ende des 19. Jh. war die Frage, ob man Kopernikus mit einem oder zwei p zu schreiben habe, Gegenstand verschiedener Erörterungen. Hier bevorzugt man "pp".  ↩

  2. http://copernicus.torun.pl/en/archives/money/2/?view=transkrypcja&lang=en Hier findet sich der Text der frühneuhochdeutschen Denkschrift in einer englischen Übersetzung.  ↩

  3. Wikipedia, de, "Greshamsches Gesetz", "Münzdenkschrift", "Kopernikus"  ↩