„Und trenne, was nicht zusammengehört“

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Ingrid Matthäus-Maier / Foto: Jörg Salomon

TRIER. (hpd) Ingrid Matthäus-Maier war zum alternativen Pilgerprogramm „Heilig's Röckle!“ in Trier zu Gast. Die ehemalige SPD-Spitzenpolitikerin sprach klare Worte über die überfällige Trennung von Kirche und Staat, über milliardenhohe Staatsleistungen, den immensen gesellschaftlichen Einfluss der Kirchen, „Zwangskonfessionalisierungen“ und stellte ihre zehn Forderungen vor.

Unter dem Titel „Und trenne, was nicht zusammengehört“ (Umdrehung des Mottos der Heilig-Rock-Wallfahrt in Trier: „Und führe zusammen, was getrennt ist“), lud die Giordano-Bruno-Stiftung in Kooperation mit den Evolutionären Humanisten Trier und der TUFA Trier zu einem Vortrag der langjährigen Bundestagsabgeordneten Ingrid Matthäus-Maier ein. Circa 120 Gäste kamen, um sich über die gegenwärtige Verflechtung von Kirche und Staat zu informieren.

Laut Grundgesetz gibt es keine Staatskirche und der Staat ist zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet. Diese Neutralitätspflicht wird jedoch unter anderem durch Privilegien in Form von Staatsleistungen und Konkordaten verletzt. Ingrid Matthäus-Maier ging in ihrem Vortrag auf diese besonderen Privilegien und den politischen Einfluss der Kirchen ein, die der weltanschaulichen Neutralität unserer Verfassung entgegenstehen. Anhand verschiedener Beispiele veranschaulichte sie, in welchen Bereichen unserer Gesellschaft die beiden großen Kirchen Mitspracherecht genießen.

Staatsleistungen

Verfassungsrechtlich hoch bedenklich seien etwa die finanziellen Staatsleistungen der Länderhaushalte an die Kirchen, die sich auf etwa 450 Millionen Euro jährlich belaufen. Diese antiquierten Zahlungen gehen auf Enteignungen im Jahre 1803 zurück, unterliegen jedoch einem sogenannten „Ablösebefehl“ von 1919. So wurde in Art. 140 des Grundgesetzes mit Art. 138 Abs. 1 der Weimarer Verfassung die Beendigung der staatlichen Zahlungen an die Kirchen wie folgt formuliert: „Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstitel beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgemeinschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst.“ Bis heute wurde dieser Artikel nicht umgesetzt. So werden beispielsweise die Gehälter der Bischöfe weiterhin vom Staat bezahlt. Finanziell privilegiert werden Kirchen- und Religionsgesellschaften auch dadurch, dass sie neben der Grundsteuer auch von Notar- und Gerichtskosten teilweise befreit sind.

Es ist so, dass die meisten sozialen Einrichtungen, wie zum Beispiel Krankenhäuser und Altenheime komplett von der öffentlichen Hand finanziert werden. Dennoch besitzt die Kirche Mitspracherechte, wenn es etwa um Personalfragen geht. Ingrid Matthäus-Maier wies in diesem Zusammenhang auf die religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz hin. Es sei ein unhaltbarerer Zustand, dass die Religionszugehörigkeit eine Rolle spielt, ob ein qualifizierter Bewerber eine Arbeitsstelle erhält oder nicht. Einer daraus resultierenden „Zwangskonfessionalisierung“ müsse entgegengewirkt werden. Ebenso bedenklich sei es, dass einem Chefarzt in Düsseldorf gekündigt wurde, weil er nach seiner Scheidung erneut geheiratet hatte. Dass jemand seine Arbeitsstelle verliert, weil seine außerdienstlichen Verhaltensweisen dem Paradigma der Kirchen widerspricht, sei nicht hinnehmbar.

Ein weiteres Beispiel unter vielen, wie sehr Staat und Kirche miteinander verflochten sind, sei der Kirchenaustritt. Ingrid Matthäus-Meier wies darauf hin, dass – mit Ausnahme der Eheschließung und dem Erwerb von Eigentum – der Austritt aus der Kirche der einzige Rechtsakt sei, bei dem man persönlich erscheinen müsse. „Dies ist ausdrücklich als Erschwerungsgrund eingeführt worden“, so Matthäus-Maier. Auch die Kirchenaustrittsgebühren seien bewusst eingeführt worden, um den Austritt aus der Kirche zu erschweren.

Zehn Forderungen zur Trennung

Dass die Kirchen weitaus stärker privilegiert werden, als man annehmen könnte, verdeutlichte die Referentin an vielen weiteren Beispielen. Es wurde klar, dass die Trennung von Kirche und Staat kaum vorangeschritten ist. Ingrid Matthäus-Maier stellte zehn Forderungen vor, wie diese Trennung vollzogen werden könnte. Angesichts der vielen Konfessionsfreien, die in Deutschland die verhältnismäßig größte Gruppe darstellten, sei dies ein wichtiger und notwendiger Schritt.

Die erste Forderung bezog sich auf die Gesetze und den öffentlichen Raum. Die Kirchen müssten nicht aus dem öffentlichen, sondern aus dem staatlichen Raum gedrängt werden. Der weltanschaulichen Neutralität wegen gehören daher kirchliche Symbole nicht in öffentliche Gebäude, wie Gerichte oder Schulen. Die Eidesformel sei neutral zu fassen.

Des Weiteren forderte Matthäus-Meier neben der Abschaffung des staatlichen Kirchensteuereinzuges die Ersetzung des Religionsunterrichts durch das Fach Ethik. „Wir bräuchten wirklich auch zur Integration der Muslime einen Kenntnisunterricht, statt eines Bekenntnisunterrichts“, forderte Matthäus-Maier und hob die Vorzüge eines Ethikunterrichtes hervor. Diese bestünden vor allem auch darin, dass SchülerInnen gemeinsam und nicht getrennt etwas über Grundwerte unserer Verfassung und Religionen lernen könnten. „Wenn es irgendwo ein Instrument der Integration gegeben hätte, dann wäre es ein Kenntnisunterricht für alle gemeinsam.“ folgerte die Referentin.

Die Abschaffung der Staatsleistungen und die Gleichbehandlung der Kirchen mit anderen Organisationen wurde ebenso wie die Militärseelsorge in weiteren Forderungen thematisiert. Abschließend sprach sich Ingrid Matthäus-Maier für ein gleiches Arbeits- und Mitbestimmungsrecht für kirchliche Einrichtungen aus. In diesen verfolge man momentan einen sogenannten „Dritten Weg“, im dem Betriebsräte oder ein Streikrecht nicht vorgesehen seien.

Das Fazit der Referentin: Die Verflechtung von Staat und Kirche sei enorm. Je mehr Menschen den Kirchen den Rücken zukehrten, desto härter seien die Kirchen im Vertreten ihrer finanziellen und institutionellen Privilegien. Diesen entgegenzuwirken sei ein mühseliger aber notwendiger Weg.
 

Florian Chefai