„Sie werden auferstehen"

MÜNCHEN. (hpd) ...steht auf dem Kriegerdenkmal nahe der bayrischen Regierungszentrale in München. Dort fand wie jedes Jahr

auch heuer am 18.11.07, dem Volkstrauertag, eine militärische Zeremonie mit hochgradiger Besetzung statt.

 

Führende Politiker und Kleriker legten unter militärischem Pomp und Säbelrasseln bei Militärmusik Kränze nieder. Umrahmt von Europäischen, Deutschen und Bayrischen Fahnen flatterten zentral schwarze Flaggen mit weißen Kreuzen auf schwarzem Hintergrund. Eine bedrückende, gespenstische Atmosphäre für alle diejenigen, denen die zahlreichen Toten unserer Weltkriege mehr als nur militärisches Pathos bedeuten.

Der Volkstrauertag wurde 1919 vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge als Gedenktag für die gefallenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkrieges vorgeschlagen. Die Nationalsozialisten übernahmen diesen Gedenktag und legten ihn als staatlichen Feiertag fest, benannten ihn aber 1934 in Heldengedenktag um und veränderten seinen Charakter vollständig: Nicht mehr das Totengedenken sollte im Mittelpunkt stehen, sondern Heldenverehrung. Träger waren die Wehrmacht und die NSDAP. Propagandaminister Joseph Goebbels erließ die Richtlinien über Inhalt und Durchführung. Die Flaggen wurden nicht mehr wie bislang auf Halbmast gehisst, sondern vollstock gesetzt.

Aufmarsch Uniformierter

Inzwischen fand zwar offiziell wieder eine Deeskalation statt, die Fahnen hängen wieder auf Halbmast, aber manchen Besucher wird klamm zumute, wenn er die aktuelle Zeremonie besucht. Es ist der Aufmarsch der Militärs und der Priester, Burschenschaften mit bunten Mützen und Plüschuniformen. Neonazis und Altgediente feiern dort mit kirchlichem Segen ihre Helden. Von Trauer ist nicht viel zu sehen, eher von Stolz auf die schönen Uniformen.

Aktion zur Trauer über den Militarismus

Der Münchner Aktionskünstler Wolfram Kastner, Vorstandsmitglied des bfg München, wollte mit einer besonderen Aktion seine Trauer über den überschwänglichen Militarismus und die furchtbare Kooperation von Kirche und Militär symbolisch zum Ausdruck bringen. Deswegen fand er sich zur Heldenfeier ein, mit Camouflage gekleidet als Soldat, Arm in Arm mit einem Schauspielerkollegen als fröhlicher Pfarrer. Die beiden wären in der allgemeinen Begeisterung nicht aufgefallen, hätten sie sich nicht Leichenblässe ins Gesicht geschminkt.

Eingreifen des Staatsschutzes

Mit dieser allerdings waren sie sofort als Fremdkörper aufgefallen und wie nicht anders erwartet kümmerte sich auch sofort die bekannt freundliche Münchner Polizei um sie. Die beiden Künstler wurden bereits beim Betreten des Geländes von den Staatsschützern aufgehalten und es wurde ihnen nicht erlaubt, sich der Feier zu nähern. Sie mussten ihre Ausweise abgeben und – umringt von ca. 15 Beamten in Zivil und Uniform – weitab vom Geschehen warten. Kastners Frage nach der Rechtsgrundlage und der Hinweis auf die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Meinungsäußerung wurde von den – ob der anwesenden Journalisten sehr freundlichen – „Freunden und Helfern" damit beantwortet, dass die beiden Künstler wohl nicht auf ungeteilte Begeisterung bei den Besuchern des Festakts zählen dürften. Kastner argumentierte zwar, dass das eben der Vorteil der Demokratie wäre, dass verschiedene Meinungen in friedlichen Wettstreit aufeinander treffen könnten, aber so viel Verständnis für demokratische Grundlagen kann man nicht immer bei den Staatsschützern erwarten. Die wiesen aber drauf hin, dass es zu Kastners eigenem Schutz wäre, nicht in den Brennpunkt des Geschehens zu geraten. Kastner Frage, ob denn auch Neonazis vor Ort wären, wurde von den Polizisten bejaht, aber im Sinne einer ausgleichenden Gerechtigkeit wäre diesen auch die NPD-Fahne verboten worden. Außerdem dürfe er ja später (nach Beendigung) zum Kriegerdenkmal, es dauere nur eben etwas länger, bis seine Personalien überprüft wären.

„Sie werden auferstehen"

Nach ca. 45 Minuten durfte Kastner sich dann in Begleitung mehrerer Zivilbeamter bis auf ca. 300 an das Denkmal annähern, weitere 15 Minuten später bis an die Absperrung rund ums Gelände. Angeblich hätte die Staatskanzlei auf dem Gelände Hausrecht und wolle nicht, dass Kastner sich dort aufhalte. Bald danach, es waren nur noch wenige Besucher (teilweise uniformiert, teilweise in Bomberjacken) anwesend, durfte Kastner und sein als Pfarrer verkleideter Kollege dann ins Herz des Geländes, das Kriegerdenkmal, teilweise sehr unwillig kommentiert von den meisten anderen Anwesenden, aber tatsächlich von der Polizei geschützt.

Die führenden Politiker, Militärs und Geistlichen waren längst schon wieder weg, von der „makabren" Belästigung verschont geblieben. Übrig waren noch einige Burschenschaftler und die kleinen Militär-Nostalgiker, die sehnsüchtig noch mal die Aufschrift auf dem monumentalen Kriegerdenkmal lasen: „Sie werden auferstehen".

Mit Wolfram Kastner können wir im Interesse unserer Gesellschaft nur hoffen, dass dies nie zutreffen möge.

Wolf Steinberger