Kritische Reflexionen anlässlich der Thesen von Hamed Abdel-Samad

Der Islamismus ist kein grüner Faschismus

(hpd) Der Islamismus ist ein Faschismus meint der Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad in einem Aufsehen erregenden Buch, worin er auf eine Fülle von Gemeinsamkeiten verweist. Doch sprechen formale auch für inhaltliche Gemeinsamkeiten? Diese Frage stellt wiederum der Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber und verwirft die Rede vom “Islamo-Faschismus”.

Ein islamistisch-religiöses Konzept sei nicht kompatibel mit einem nationalistisch-säkularen Konzept. Statt politischer Kooperation gebe es aktuell mehr politische Konflikte zwischen Rechtsextremisten und Salafisten. Treffender als die Formulierung “islamischer Faschismus” erscheint ihm die Rede von einem islamistischen Extremismus oder Totalitarismus. Denn damit werde die gemeinsame Ablehnung von Demokratie und Menschenrechten durch Faschisten und Islamisten bei allen ideologischen Unterschieden eben treffend erfasst wie die gemeinsame Bejahung einer Gesellschaftsordnung mit totaler Kontrolle durch den Staat.

Der Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad legte mit “Der islamische Faschismus” (München 2014) ein Buch vor, worin er nicht nur den Islamismus als eine Form des Faschismus bezeichnet. Der Autor geht sogar noch einen Schritt weiter, indem er der juristisch-politischen Seite des Islam faschistoide Tendenzen unterstellt. Lediglich hinsichtlich der sozialen und spirituellen Seite sei diese Bewertung nicht angemessen. Als einschlägige Belege bzw. Faktoren benennt Abdel-Samad den Anspruch auf eine Beherrschung der Welt, den Dualismus von Gläubigen und Ungläubigen, die Glorifizierung der Gewalt und des Militärs, den Kampf gegen die Aufklärung und die Moderne, den Glauben an die moralische Überlegenheit der Muslime oder den Kult um eine charismatische Führerfigur. Die damit einhergehende Kritik, die der Autor bereits seit längerer Zeit in Artikeln und Vorträgen geäußert hatte, trug ihm eine Mord-Fatwa von islamistischen Fanatikern ein. Diese Feindschaft muss aber nicht für die Richtigkeit seiner Thesen stehen.

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Eine kritische Prüfung der Angemessenheit einer Rede vom “islamischen Faschismus” setzt die Kenntnis der grundlegenden Prinzipien des Faschismus voraus: Antisemitismus, Führerkult, Gemeinschaftsideologie, Gewaltakzeptanz, Massenmobilisierung, Nationalismus und Totalitarismus.

Hierbei handelt es sich mal um formale und mal um inhaltliche Merkmale. Im letztgenannten Sinne bestehen eher Unterschiede, akzeptiert der Islamismus als religiöse Auffassung doch keinen Nationalismus als säkulare Position. Im Antisemitismus bestehen indessen inhaltliche Gemeinsamkeiten, wobei sie sich auf unterschiedliche ideengeschichtliche Grundlagen und gegenwärtige Motive zurückführen lassen. Demgegenüber können Parallelen bei Führerkult, Gemeinschaftsideologie, Gewaltakzeptanz, Massenmobilisierung und Totalitarismus ausgemacht werden. Indessen basieren sie nicht auf den gleichen Einstellungen, bezieht sich doch die Gemeinschaftsideologie mal auf die Personen gleicher Ethnie, mal auf die Personen gleichen Glaubens.

Wie lassen sich nun die erwähnten Gemeinsamkeiten und Unterschiede bezogen auf eine Einschätzung der oben genannten These von Abdel-Samad inhaltlich gewichten? Nimmt man eine Prüfung des Islamismus hinsichtlich der genannten sieben Merkmale des Faschismus vor, so kann man die jeweils analysierten und benannten Differenzen und Übereinstimmungen nur in bestimmten Bereichen ausmachen: Bei der inhaltlichen Ausrichtung mit einem positiven Bekenntnis zu bestimmten Normen lassen sich keine Gemeinsamkeiten konstatieren, bildet doch für die eine Seite die ethnische und für die andere Seite die religiöse Ebene den jeweiligen Bezugspunkt für das eigene ideologische Selbstverständnis. Da es dabei eben noch nicht einmal ansatzweise Berührungspunkte gibt, ja sogar die Sphäre des Glaubens und der Natur in ganz unterschiedlichen Kontextfeldern beheimatet sind, kann auch nicht das Fehlen von Gemeinsamkeiten verwundern. Im Gegenteil lehnt die jeweils eine Seite die ideologischen Grundlagen der jeweils anderen Seite ab.

Demgegenüber treten die Gemeinsamkeiten bei den Feindbildern, der Organisationsform und der Strategie in ihrer Bedeutung zurück. Erstere sind auf der Basis der unterschiedlichen Ideologien auch mit verschiedener Stoßrichtung entstanden. Die Übereinstimmungen in den Handlungs- und Strukturformen finden sich darüber hinaus noch bei vielen anderen politisch-ideologisch ganz verschieden ausgerichteten Akteuren.

Insofern reichen all diese Gemeinsamkeiten nicht aus, um den Islamismus bzw. Salafismus als besondere Form des Faschismus anzusehen. Dieser Terminus ist auch als Sammelbegriff für unterschiedliche Phänomene sehr stark durch eine ideologische Ausrichtung primär in einem nationalistischen bzw. rassistischen Sinne geprägt. Da diese eben gerade im Islamismus bzw. Salafismus kaum oder nicht auszumachen ist, kann die Rede von einem “grünen Faschismus” oder “Islamo-Faschismus” keine inhaltliche Angemessenheit beanspruchen. Insofern handelt es sich weniger um eine analytische Kategorie, sondern mehr um ein politisches Schlagwort.

Diese Erkenntnis relativiert oder verharmlost nicht das Gefahrenpotential in dem gemeinten politischen Lager, müssen doch Risiken für Demokratie und Menschenrechte nicht nur in Form des Faschismus auftreten. Gerade die formalen Gemeinsamkeiten bezogen auf die Forderung nach einer identitären Gesellschaft mit der Gemeinschaftsideologie und dem tiefgreifenden Herrschaftsanspruch mit dem Totalitarismus lassen zwei andere Kategorien der Politikwissenschaft als erkenntnisfördernder für die Einordnung von Faschismus und Islamismus erscheinen. Gemeint sind die Extremismus- bzw. Totalitarismustheorie, die beide nicht von ideologisch-inhaltlichen Kriterien ausgehen. Vielmehr stellen sie auf die Ablehnung der Minimalbedingungen eines demokratischen Verfassungsstaates bzw. das Ausmaß eines Herrschaftsanspruchs gegenüber der Gesellschaft ab. In diesen Punkten bestehen auch Gemeinsamkeiten von Faschismus und Islamismus, womit man es eben auch mit den besseren Kategorien zur Einordnung zu tun hat.