Mauerfall brachte nicht mehr Religiösität

Der Mauerfall vor 25 Jahren hat aus Historikersicht bei den christlichen Kirchen Hoffnungen auf einen religiösen Aufschwung im Osten geweckt, die aber bald enttäuscht wurden.

Die friedliche Revolution vor 25 Jahren sei stark protestantisch geprägt gewesen – durch kirchliche Lieder, Debatten und Demos in Gotteshäusern und durch viele Engagierte aus dem kirchlichen Milieu –, weshalb die Kirchenleitungen damals mit einer "Renaissance" der Religiosität gerechnet hätten, schreibt Zeithistoriker Prof. Dr. Thomas Großbölting vom Exzellenzcluster "Religion und Politik" der Uni Münster... 

Seit den 1950er Jahren habe sich in der DDR eine "Kultur der Konfessionslosigkeit" durchgesetzt, an der sich auch nach der Wende bis heute in Ostdeutschland nichts geändert habe. 1989 sei nur "das letzte Aufbäumen früherer volkskirchlicher Strukturen" gewesen.

Insbesondere die evangelische Kirche "konnte [von] der Wiedervereinigung nicht profitieren", betont der Historiker. "Viele derjenigen, die sich vor 1989 von der Gemeinschaft Kirche als Gegenmodell zum sozialistischen Staat angezogen fühlten, distanzierten sich nach der Wiedervereinigung wieder." 

Das politische System der Bundesrepublik habe andere zivilgesellschaftliche Freiräume geboten, so dass die "kirchliche Ersatzöffentlichkeit" an Relevanz verloren habe.