Sterbehilfe im Bundestag

Die Debatte ist nicht mehr aufzuhalten

dreh_mit_reuters_tv_am_tag_der_bt_debatte_131114_c_dghs_we.jpg

Elke Baezner ist an diesem Tag eine viel gesuchte Interviewpartnerin; hier mit Reuters
Elke Baezner ist an diesem Tag eine viel gesuchte Interviewpartnerin; hier mit Reuters

BERLIN. (hpd) Die gestrige Orientierungs-Debatte im Bundestag über die Sterbehilfe zeigte die zum Teil sehr voneinander abweichenden Positionen der Abgeordneten quer durch alle Fraktionen auf. Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS), Elke Baezner, warnte wiederholt vor einer Verschärfung des Strafrechts.

"Ein Verbot der organisierten Hilfe zur Selbsttötung würde die hilfesuchenden Menschen verstärkt in die Grauzone treiben", so Frau Baezner. "Die Etablierung einer Strafbarkeit jeder Suizidbeihilfe aus Gewinnabsicht hätte allenfalls deklaratorischen, also moralischen Gehalt, würde aber objektiv ins Leere laufen. Sollte Organisationen oder privaten Helfern gewerbsmäßiges, gar kriminelles Handeln nachgewiesen werden können, genügen die bestehenden Gesetze zu ihrer Ahndung. Ein Verhalten strafbar zu machen, das es bisher nicht war, erfordert stichhaltige und empirisch gut belegte Gründe. Die gibt es nicht. Das Strafrecht ist kein Mittel, um Emotionen Ausdruck zu geben."

Mit einer ähnlich deutlichen Aussage verband die Bundestagsabgeordnete Renate Künast ihre Forderung, an der bisherigen Situation nichts zu ändern; ein entsprechendes Positionspapier liegt der Redaktion vor. Darin heißt es: "das Strafrecht ist nicht der Ort, seine eigene Weltanschauung oder Religion für andere zum Maßstab zu machen."

Auch die Einrichtung von wertneutralen, kompetenten, objektiven, und uneigennützigen Beratungsstellen, an die Sterbewillige sich vertrauensvoll vor jeder Entscheidung wenden können, fordern übereinstimmend DGHS und die Abgeordneten um Frau Künast.

Für die DGHS ist es bereits eine erfreuliche Tatsache, dass im letzten halben Jahr eine gesamtgesellschaftliche Debatte über das Thema Sterbehilfe geführt wurde und sicherlich weiter geführt werden wird. "Bei der Gründung des Bündnisses ‘Selbst­bestimmung bis zum Lebens­ende’ mussten wir noch davon ausgehen, dass ein Gesetz kommen wird und wir damit 'leben müssen'". Doch nun wird in der gesamten Gesellschaft über das Thema diskutiert und bei der großen Mehrheit der Bevölkerung, die einem attestierten Suizid zustimmen, kann ein solches Gesetz nicht mehr "einfach durchgewinkt" werden. "Allein schon diese Tatsache ist ein großer Fortschritt" sagte Elke Baezner dem hpd.

Die Pressesprecherin der DGHS, Wega Wetzel, ergänzte: "Wir hoffen, dass sich im Bundestag im kommenden Jahr keine Mehrheit für eine strafgesetzliche Regelung finden wird." Sie hat die Debatte vor dem Fernseher verfolgt und ist sich sicher, dass im Fahrwasser der Bundestagsdebatte "nun viel intensiver auch über Palliativmedizin gesprochen werden wird. Und das ist ja ganz in unserem Sinne."

Tatsächlich erklärten übereinstimmend fast alle Redner bei der Bundestagsdebatte, dass Deutschland dringend den Ausbau der Palliativmedizin und von Hospizeinrichtungen vorantreiben muss. Auch das ist ein Erfolg, zu dem ganz sicher auch die Kampagne "Mein Ende gehört mir" beigetragen hat.