Der gläserne Kassenpatient

Eine Krankenversicherung will genau wissen, wie und ob ihre Mitglieder gesund leben. Sie bietet Rabatte an, wenn man sich von ihr überwachen lässt.

Die Schriftstellerin Juli Zeh warnte vor genau diesem Szenario in ihrem Roman "Corpus Delicti" und sagte der Süddeutschen: "Leider kann ich nicht einmal sagen, dass es mich gruselt, weil es mich einfach nicht im Mindesten überrascht. Die Idee der Generali-Versicherung entspricht einer Mentalität, die sich längst flächendeckend ausgebreitet hat."

Die Generali-Gruppe setzt auf die elektronische Kontrolle ihrer Kunden. Geprüft werden Fitness, Ernährung und Lebensstil - dafür erhalten die sich selbst überwachenden Kunden Gutscheine und Rabatte, wenn sie gesund leben. Dafür allerdings müssen sie der Generali über eine App regelmäßig Daten zum Lebensstil übermitteln. Sie müssen sich selbst "gläsern" machen.

Über die Auswirkungen davon sagt Juli Zeh: "Menschen ändern automatisch ihr Verhalten, wenn sie überwacht werden. Jeder kann das an sich selbst beobachten. Es reicht, wenn ein Auto anzeigt, wie viel Sprit es gerade verbraucht - schon fahren wir schonender. Steht ein Mensch vor einer Kamera, versucht er, ein liebenswertes oder cooles Gesicht zu machen. Der Mensch ist ein Sozialtier, und soziale Ordnungen beruhen immer auf Hierarchien, also Rankings. Je mehr wir 'vermessen' werden, desto mehr werden wir verglichen. Und desto stärker gehorchen wir Mechanismen, die wir in Wahrheit nicht selbst kontrollieren, weil sie von Krankenkassen, Arbeitgebern, Schulen oder Sicherheitsbehörden entwickelt und angewendet werden."