Der Anteil vom Himmel

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Abini Zöllner
Abini Zöllner

BERLIN. (hpd) Die Journalistin Albini Zöllner sprach am vergangenen Wochenende im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung des Humanistischen Verbandes Deutschland (HVD) und der Sunday Assembly Berlin über Toleranz und unseren "Anteil am Himmel". Der hpd dokumentiert ihre Rede.

Hinterm Horizont geht’s weiter, aber was passiert eigentlich vor dem Horizont?

Alle Menschen leben unter demselben Himmel, aber nicht alle haben denselben Horizont. Menschen sind nun mal verschieden. Wir machen alle unterschiedliche Erfahrungen, und wir gehen mit unseren Erfahrungen auch ganz unterschiedlich um: Der eine empfindet die Begegnung mit dem Fremden inspirierend, der andere sieht seine Vorurteile bestätigt. Der eine vertraut seinem Verstand, der andere seinem Instinkt. Der eine überwindet seine eigenen Hemmschwellen mehr, der andere weniger. All das ist menschlich – und deshalb steckt in jedem von uns ein bisschen von dem einen und von dem anderen.

Und so entstehen kleine oder große Vorurteile. Das kurioseste Vorurteil von allen aber ist: Selbst keine Vorurteile zu haben. Ganz so, als beträfen Vorbehalte nur Menschen mit einem begrenzten Horizont. Selbstverständlich nimmt man sich da selbst aus. Doch ist das wirklich so?

Nein. Pauschalurteile sind völlig unabhängig vom IQ. Auch kluge Menschen pflegen sie: Niemand ist frei von Ressentiments und Klischees, von Hemmschwellen und Befangenheiten. Geschichte wird unterschiedlich bewältigt, die Gegenwart wird unterschiedlich erlebt, die Zukunft unterschiedlich interpretiert. Und irgendwann sind wir alle das Resultat unserer eigenen Erfahrungen. Und dann haben wir unser Raster, durch das wir den einen oder die andere fallen lassen.

Ein Satz, den ich oft gehört habe: "Ich will das nicht verallgemeinern, ich meine das nur ganz pauschal". Den müssen Sie sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Den sagen oft die Prinzipienreiter. Die Menschen sollten sich mal reden hören. Sie sagen Dinge daher und manifestieren dabei Anschauungen.

Es gibt so viele Möglichkeiten, Missverständnisse in die Welt zu setzen. Und damit meine ich nicht die großen Feindbilder, sondern die alltäglichen Klischees. Da wären die Dicken, die immer gemütlich sind. Die Schwaben, die so sparsam sind. Oder die Deutschen, die angeblich immer pünktlich sind – haben Sie sich schon mal mit einem Kubaner verabredet? Das sind die wahren Preußen! Oder der legendäre Charme der Berliner – nun ja – der erreicht bekanntlich auch nicht jeden.

Doch manchmal ist die Grenze vom Klischee zum Vorurteil fließend: Etwa bei den Zigeunern, die immer klauen. Oder auch bei Kindern, die eine Sonderschule besuchen. Damit verbinden sich immer Vorbehalte. Die Polen, so heißt es, sind nur an Autos interessiert und Italiener nur an Frauen. Franzosen mögen keine Fremdsprachen und Amerikaner nur sich selbst. Ja klar, so haben wir die Welt schon kennengelernt.

Da stellt sich die Frage: Wie gut sind wir eigentlich noch in der Lage, die Welt anders oder neu zu betrachten?

Klischees beginnen immer in der Sprache. Mit Phrasen oder Bezeichnungen, die Menschen unerbittlich einer Kategorie zuordnen. Da machen auch die Medien mit, etwa wenn sie in den Nachrichten nicht von "Aufständischen", sondern hartnäckig von "Rebellen" sprechen.

Doch gerade die Art und Weise, wie wir uns ausdrücken, hält viele Missverständnisse bereit. Dann wird unsere Sprache zur Kommunikationsfalle. Dafür will ich auch zwei Beispiele nennen: Ist "Neger" nicht einfach nur der Wortstamm von niger (lateinisch für schwarz). Also ganz harmlos?. Nein! Das finde ich nicht. Neger ist ein diskriminierender Begriff, der in der Vergangenheit durch sei-ne unangemessene Verwendung seine Unschuld verloren hat.

Und Gutmensch? "Gutmensch" ist dagegen für mich kein Schimpfwort – auch wenn es die deutschen Feuilletons und politischen Rhetoriker anders sehen. Da wird voller Arroganz ein fürsorglicher Wille als "übertrieben und naiv" abqualifiziert. Das ist absurd und es ist auch zynisch.

Ich finde unseren saloppen Umgang mit der Sprache riskant. Denn mit Begriffen fangen die Stigmatisierungen an.

Klischees sind im Grunde genommen mindestens ebenso gewagt und kühn wie Vorurteile.

Schon dieser Vortrag ist ein Vorurteil – denn er muss verallgemeinern und Verallgemeinerung ist die Grundlage aller Vorurteile. Aber tatsächlich gibt es für jeden – für jede Nationalität, für jede Religion, für jede Randgruppe – gängige Klischees.

Manche Menschen betonen mir gegenüber, dass sie "Gegen Schwarze nichts haben". Donnerwetter, das find ich prima! Ich habe auch nichts gegen Weiße. Nicht mal gegen Veganer oder Schwiegermütter. Das ist doch ein toller Anfang!

Mein Mann wollte mal ein Foto von mir und meinen beiden dunklen Freunden machen. Es war Nacht. Er schaute durch die Kamera und sagte: "Ich kann nichts sehen, es ist alles schwarz!" Ich rief: "Das sind wir, drück rauf".

Ich denke, dass ich einen entspannten Umgang mit meiner Hautfarbe habe. Ich bin natürlich mehr als meine Hautfarbe. Ich bin Abini.

Abini, mein Name, bedeutet: "Du bist der mir vom Himmel geschickte Anteil". Ich finde die Bedeu-tung großartig. Denn eigentlich hat doch jeder Mensch auf Erden seinen Anteil am Himmel.

Ich bin also Abini, und das ist mein Anteil: Ich bin farbig. Ich bin aber auch die Summer meiner Eltern, also meiner jüdischen Mutter und meines Vaters der Yoruba war. Sie haben mich in der DDR protestantisch erzogen und ich habe mich beim Gute-Nacht-Gebet beim lieben Gott für die schönen Pioniernachmittage bedankt. Mein Vater war ein überzeugter Kommunist, aber auch er erfuhr: Willkommen waren die Ausländer nur als Gäste. Es war nicht einfach, in der DDR seinen Horizont zu erweitern, aber es war möglich. Ich habe Jugendweihe und Konfirmandenunterricht gehabt, ein unendlicher Reichtum – weshalb ich es mir später leistete, mich weder für das eine noch für das andere zu entscheiden. Ob ich dennoch an Gott glaube? Ich weiß nicht – Glaubt Gott an uns?