HABO widerspricht der Unionsfraktion

Strafrechtsreform hat Priorität

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KONSTANZ. (hpd) Die Humanistische Alternative Bodensee (HABO) widerspricht Aussagen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die in der Umsetzung vorgelegter Reformwünsche in der strafrechtlichen Bewertung von Mord und Totschlag keine Priorität sieht. Entsprechende Anregungen aus einem Expertengremium waren dem Justizministerium übergeben worden und sehen vor, dass die bisherigen "Merkmale" für entsprechende Straftaten aus Zeiten des "Dritten Reiches" und gar noch aus der Jahrhundertwende des 19. und 20. Jahrhunderts nicht mehr als wegweisend für die Urteilsfindung von Richtern gelten sollen.

Der Sprecher der HABO weist zudem die Auffassung der Union zurück, die derzeitigen Regelungen fänden in der Bevölkerung Anklang. Der Bundesjustizminister hatte die Reform nämlich gerade deshalb angestoßen, weil viele Bürger eine nahezu willkürliche Einteilung von Tötungsdelikten nicht nachvollziehen können. Nur, weil sich über Jahrzehnte eine unverständliche Rechtsprechung zur Normalität entwickelt hat, heißt das nicht, man dürfe sie nicht endlich einem stärkeren Gerechtigkeitsempfinden anpassen.

Bislang wird die Unterscheidung, ob ein Mord vorliegt oder nach dem Bestand des Totschlags geurteilt wird, an Motiven wie Habgier oder Befriedigung festgemacht. Während bei anderen Straftaten vor allem die Ausführung der Tat im Mittelpunkt der rechtlichen Bewertung steht, weicht man bei den schweren Verbrechen von dieser Klassifizierung ab. Hierdurch entsteht nicht nur im Gerechtigkeitsempfinden des Außenstehenden, sondern gerade auch in der Würdigung aller Tatumstände durch den Richter eine nicht selten unverständliche Schlussfolgerung: So kann ein Täter, der im Affekt handelt, aber eines der Mordmerkmale erfüllt, zu lebenslanger Haft verurteilt werden, während bei gleicher Tat aus anderem, nicht als "niedrige Beweggründe" angesehenem Antrieb eine zeitlich begrenzte Freiheitsstrafe in Betracht kommt.

Für die HABO ist klar, dass nach allgemeiner Auffassung eine Straftat anhand der Durchführung bewertet werden sollte. Denn dass die Experten, also Richter, Staatsanwälte und Juristen, in ihren Erläuterungen anregen, dem Gericht die Einordnung eines Tötungsdeliktes zu überlassen, weist darauf hin, dass hier Personen mit Erfahrung sprechen. Insofern wäre die Union gut beraten, sich nicht anzumaßen, mit populistischen Argumenten gegen eine Reform zu stimmen, die letztlich ermöglicht, den Einzelfall zu prüfen und damit individuellere Urteile zu sprechen. Insgesamt wird auch die "lebenslange Freiheitsstrafe" durch den Bericht des Gremiums in Frage gestellt. Das ist nicht verwunderlich, so die HABO: "Dem Resozialisierungsgedanken, der Grundlage unseres Rechtswesens ist, widerspricht eine zeitlose Strafe vollends." Dass CDU und CSU mit ihrer Position die emotionale Urteilssprechung bestärken, statt einer sachlichen Rechtsauffassung Vorrang zu geben, belege eine Voreingenommenheit beider Parteien.

Die Humanistische Alternative steht der derzeitigen Form des Strafvollzuges insgesamt kritisch gegenüber. Therapie und Möglichkeiten der Wiedereingliederung kommen aus ihrer Sicht in den Gefängnissen viel zu kurz. Sie bezweifelt, ob der Freiheitsentzug tatsächlich zu Reue und Einsicht beiträgt – und bemängelt angesichts teils unwürdiger Zustände in den Vollzugsanstalten, dass Gesundheit und Sicherheit der Inhaftierten aufs Spiel gesetzt werden. Auch wenn Straftäter in unserem Land kaum eine Lobby haben, gehört es zum demokratischen Rechtsstaat, auch ihnen die unabänderlichen Menschenrechte zukommen zu lassen. Das gilt auch – und nicht zuletzt – bei ihrer Rückkehr "ins Leben". Gleichzeitig brauchen wir auch ein Umdenken im Umgang mit psychisch abnormen Rechtstätern, ob in geschlossenen Einrichtungen oder in der Verwahrung. Wegsperren allein ist nicht nur teuer, sondern auch keine humane Lösung.

Zur Umsetzung der Reformen im Strafrecht rät die HABO der SPD, sich andere Mehrheiten im Bundestag zu suchen, wenn sich CDU und CSU einer Abkehr von nationalsozialistisch geprägtem Strafrecht verweigern.