Patriotismus in der Politik

Deutschland im Kopf

TRIER. (hpd) Die jüngsten Krawalle in Heidenau werfen dunkle Schatten voraus. Auch vor einigen Tagen brannten Flüchtlingsunterkünfte – diesmal in Berlin, Leipzig, Salzhemmendorf, und einige weitere. Die Bundesregierung zeigte sich schockiert. Vizekanzler Gabriel bemühte sich, klare Kante zu zeigen und bezeichnete den "rechten Mob" als "die undeutschesten Typen", die er sich vorstellen kann. Warum denn bitte undeutsch? Doch Gabriel ist nicht der einzige Politiker, der zu solchen verbalen Schwächeanfällen neigt.

"Undeutsch" ist in allererster Linie ein Begriff, der Bestandteil nationalsozialistischer Rhetorik war. Unter katastrophalen Umständen, in denen Flüchtlinge um ihr Leben fürchten müssen, sich solcher Worte zu bedienen, ist kaum nachvollziehbar. Auch die Bundeskanzlerin schlug sich nicht besser und bezeichnete die Anschläge als "unseres Landes nicht würdig". Was zuerst positiv anmutet, entpuppt sich nicht nur als leere Worthülse, sondern lässt auch unglaublich viel Interpretationsspielraum. Angela Merkel könnte man tatsächlich beim Wort nehmen und ihr sogar zustimmen: "Ja, Brandanschläge patriotischer Geistesgestörter sind unter ihrer Würde. Sie versuchen dagegen mit mehr Eleganz die Lage von Menschen auf der ganzen Welt zu verschlimmern, indem immer noch deutsche Waffen dorthin verkauft werden." Erst kürzlich wurde seitens des Wirtschaftsministeriums bekannt, dass die Anzahl der Waffenexporte sich erhöht hat.

Jetzt stellt sich die Frage, inwiefern sich Angehörige der Bundesregierung Erfolg davon versprechen, Patriotismus mit Patriotismus zu bekämpfen. Häufig wird eine klare Trennlinie zwischen Patriotismus und Nationalismus definiert, wobei Patriotismus zwar mit einer starken Liebe zum sogenannten Vaterland zusammenhängt, aber nicht mit einer Ablehnung anderer Patriotismen einhergeht. Gegenwärtige soziologische und psychologische Studien weisen allerdings auf andere Befunde hin. Psychologe Christopher Cohrs kommt zu dem Ergebnis, dass Menschen mit patriotischen Einstellungen Nationalismus nicht ablehnen. Auch der bekannte Soziologe Wilhelm Heitmeyer resümiert in seiner Studie "Deutsche Zustände": Eine positive Einstellung zur Demokratie und ihren Werten stellen einen besseren Schutz vor rassistischem Gedankengut dar, welches durch patriotische Gefühle eher gefördert wird.

Auch aus historischer Betrachtung kann zu Patriotismus und Nationalstolz ein klares Urteil gefällt werden. Deutschland, genauso wie andere Nationen dieser Erde, sind künstliche Gebilde, die sich in einem permanenten inneren und äußeren Wandel befinden. Die Schaffung sogenannter nationaler Identitäten diente in den vergangenen Jahrhunderten allzu häufig dem Zwecke politischer Instrumentalisierung, um sich nicht selten von anderen, meist "feindlichen", Gruppierungen klar abzugrenzen. Sie sollte eine gemeinschaftliche Atmosphäre im Land herstellen und vor allem soziale Missstände verschleiern, denn solange Reiche und Arme einen scheinbar gemeinsamen Feind haben, ändert sich an den sozialen Verhältnissen relativ wenig. Welche Schlüsse könnten nun aus dieser Situation gezogen werden?

An erster Stelle wären Merkel, Gabriel und Co. gut darin beraten, sich mit Patriotismus und Nationalstolz genauer auseinanderzusetzen. Die geballte Ladung Rassismus, der ihnen und uns allen um die Ohren fliegt, ist nicht plötzlich vom Himmel gefallen. Dieser Rassismus ist das Ergebnis einer jahrzehntelang praktizierten Politik der Ausgrenzung anderer Kulturen, da man um den Verlust der nationalen Identität fürchtete – einem Konstrukt, das nicht definiert werden kann und schon der Charakter einer Ersatzreligion hat! Darüber hinaus erkennt man anhand der äußerst niedrigen Wahlbeteiligung im Rahmen der letzten Landtags-, Kommunal- und Europawahlen, wie weit die Demokratieentwöhnung bereits fortgeschritten ist. Wirkliche demokratische Beteiligung wird nämlich nicht gefördert, sondern von einigen politischen Akteuren sogar missbilligend kommentiert: War es nicht Sigmar Gabriel, der einerseits die Proteste gegen die umstrittenen Freihandelsabkommen als "hysterisch" und "übertrieben" bezeichnete, aber andererseits behauptete, es gebe ein Recht auf eine deutschnationale Meinung?

Die Bundesregierung scheint eine äußerst ambivalente Strategie zu verfolgen: Solange die Bevölkerung einen "gesunden" Nationalstolz pflegt, der auch noch implizit gefördert wird - wenn etwa in den Programmen der Regierungsparteien immer von einem starken Deutschland die Rede ist - scheint zumindest für den Moment für Ruhe und Ordnung gesorgt. Eine kritisch und demokratisch denkende Bevölkerung hingegen würde die Ungerechtigkeit in vielen gesellschaftlichen Bereichen erkennen und dagegen aufbegehren. Unruhe wird von Seiten der Regierenden selten gerne gesehen. Doch diese Strategie ist nicht nur ihnen, sondern auch vielen Unschuldigen zum Verhängnis geworden. Nahezu wöchentlich werden Flüchtlingsunterkünfte in Brand gesteckt, Menschen verletzt und mit dem Tode bedroht. Politik und Gesellschaft sollten folgende Lehre aus dieser Geschichte ziehen: Nationalstolz hat inmitten einer wirklich demokratischen Gesellschaft nichts verloren und gehört ein für allemal in die Museen und Geschichtsbücher, in welchen vor dessen Auswüchsen gewarnt und aufgeklärt werden soll.